LGBTQIA+ und BDSM-und-Christsein.de

Der Vorwurf der Engstirnigkeit an uns als Christen ist aus meiner Sicht nicht weit hergeholt. Wir beziehen uns über alle konfessionellen Grenzen hinweg auf den einen Christus, der von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben…niemand kommt zum Vater als nur durch mich“ (Joh. 14,6).

Rumms, die Tür zu für alternative Gottesbilder oder eine unverbindlich-gestaltlose Spiritualität. Eine Wahrheit, ein Weg, ein Leben nur aus Jesus. Und der hinterlässt uns ein neues Gebot, kurz bevor er am Kreuz von Golgatha sagt: „Es ist vollbracht“: „An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.“ (Joh. 13,35).

Gott hat es gefallen, uns alle so kunterbunt-verschieden zu machen, wie wir sind. Eine Facette dieser Buntheit sind wir hier als Christen, die gleichzeitig BDSMler sind. Gerne halte ich darum die Regenbogenflagge hoch als Gegenbewegung zu menschengemachter Ausgrenzung. Gott liebt alle Menschen. Alle? Ja, alle. Wirklich alle.

Wenn man sich nun bei Wikipedia das „Q“ von LGBTQIA+ „Queer“ ansieht, findet man die am weitesten offene Definition von queer, die alle Menschen inkludiert, „die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen oder nicht entsprechen wollen“

Jesus hat sich genau diesen Menschen immer wieder zugewandt. Und uns die Aufforderung hinterlassen, es ihm nachzutun. Und wir sind – zumindest unter dem Dach christlicher Kirchen – eben diese Menschen, „die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen“

Nur ein Gott – ja! Aber seine Liebe ist groß genug für alle Menschen. Egal wie deine sexuelle Identität aussieht.

Pressespiegel Kirchentagsstand 2023

In der taz erschien ein guter Artikel über uns und unseren Stand auf dem Kirchentag in Nürnberg.

In Spiegel online haben wir es sogar in die Überschrift geschafft.

Radio FFN brachte einen interessanten Beitrag. Ein Gespräch mit Markus am Stand.

Der Podcast Anders Amen besuchte uns wie in der Folge zuvor angekündigt am Stand.

Markus zum Kirchentag 2023

Drei Tage hat Gott uns als Arbeitskreis auf dem Kirchentag 2023 mit einer dichten Folge von sehr offenen und persönlichen Gesprächen gesegnet. Ich bin immer noch verblüfft, wie sehr. Es gab reichlich Interesse von Nichtbetroffenen für unsere Arbeit, oft gepaart mit Ermutigung und Dank. Und auch Menschen, die sich mit ihrem Leben, mit ihrer Geschichte öffneten. Zart und verletzlich ihr Innerstes zeigten und echte Begegnung zuließen. Die in meist langen Gespächen mit großen Augen und weichen Knien begriffen haben, dass Gottes Liebe und seine Vergebung für wirklich jeden groß genug sind. Auch für sie. Und dass sie möglicherweise gar nicht so sehr absonderlich sind, wie sie selbst sich fühlen. Dass es ein gutes und von Gott erlebbar gesegnetes Leben gibt, auch wenn das eigene Herz nicht in der Mitte eines erdachten Stromes frommer Normativität schlägt. Selbst wenn zur eigenen Freiheit gehört, sich ganz in die Hand eines Anderen zu fügen. Oder dominant zu führen. Oder Schmerz zu geben oder zu nehmen. Selbst wenn ein grober Griff in den Nacken einem mehr bedeutet als ein zarter Kuss. Wenn gedemütigt zu werden eine erfüllende Erfahrung ist. Und so vieles andere mehr.

Die Fragestellungen bewegten sich zwischen „Darf ich das (fühlen/wollen/tun)?“ und „Wo ist das Problem?“. Wir sprachen über Herausforderungen, die sich aus Amt, Umfeld, der eigenen Partnerschaft oder körperlichen Einschränkungen ergeben. Gemeinsam konnten eigene und fremde Haltungen reflektiert und der Umgang mit ihnen weiterentwickelt werden.

Mit uns sprachen Menschen von Anfang 20 bis weit in die 70. Menschen aus der katholischen, evangelischen oder einer Freikirche. Die ganze Vielfalt möglicher Lebensgeschichten mit Menschen, die fest in einer 24/7-Beziehung leben am einen Ende des Spektrums und am anderen Ende solchen, für die BDSM ein quälend gewordener Traum ist, weil er sich nicht erfüllt.

Wir sprachen mit polyamoren Menschen, queeren, cis- wie trans- Menschen, dem weiten Spektrum von LGBTQIA+. Mit sehr besonderen Menschen und den nach eigenem Verständnis „ganz normalen“. Es ging um Erfahrungen, Sehnsüchte, Lebensentwürfe, das Leben mit Gott und dem christlichen Umfeld, um Kirche und Theologie. Und manchmal ging es auch nur darum, als Mensch einfach da sein zu dürfen.

Für eines dieser Gespräche allein haben sich aus meiner Sicht die sieben Stunden Anreise im völlig überfüllten Zug gelohnt. Allein, es waren so viele Gespäche, dass zwei oder drei von uns fast durchgängig im Gespräch waren.

„Du bist ein Gott, der mich sieht“ sagt die Jahreslosung. Diesen liebevollen Blick Gottes auf uns dürfen wir in seiner Stellvertretung weiterschenken. Gemeinsam die Freiheit erleben, die es bedeutet, so angenommen zu werden, wie man ist – von ihm, der das Maß aller Dinge ist. Kind sein zu dürfen, in aller gebrochenen und gefallenen Imperfektion. Gerechtfertigt zu sein nicht durch Selbstgerechtigkeit, sondern weil Jesus uns sagt: „Es ist vollbracht.“ Ein Leben also in seiner Gerechtigkeit, trotz all unserer Fehler und Schwächen. Dann ist es plötzlich bedeutungslos, dass wir BDSM sind und unsere Form der Liebe eine raue. Alle sind wir nur begnadigte Sünder, das ist der einzige Weg in den Himmel. Jesus selbst. Er ist der Weg. Und die Wahrheit, die mich frei macht. Und das Leben, das ich als sein Geliebter nun endlich leben darf. Mit den Gaben, die er mir schenkt. Mit dem Herz in mir – auch wenn es devot oder dominant oder eben ganz speziell meines ist.

Was bei mir bleibt ist Dankbarkeit für unseren Gott, der mit uns zu tun haben will. Der uns ganz praktisch liebt. Für seinen Segensfluss durch uns hindurch. Dass er Christi Leib pflegt und stärkt, indem er die, die einander brauchen zusammen bringt.
Dankbarkeit für meinen Hauskreis, der für den Arbeitskreis vor und während des Kirchentages im Gebet eingestanden ist. Dankbarkeit besonders, weil die Mitglieder meines Hauskreises allesamt mein BDSM absonderlich finden und das Thema sie herausfordert.

Dankbarkeit für jeden Einzelnen, der bereit war, sich von Gott aus seiner frommen Sackgasse herauslieben zu lassen und ins Leben zu kommen.
Bis heute ist die Selbstmordrate unter BDSMern erhöht. Was wir tun, setzt Heimlichkeit, Selbstablehnung und Vereinzelung wirksam etwas entgegen. Jesu letztes Gebot ist: „An der Liebe untereinander soll die Welt erkennen, dass Ihr meine Jünger seid“ (Joh. 13,35). Ich bin dankbar, zusammen mit dem Arbeitskreis etwas wirklich Nützliches tun zu dürfen: Seinen Willen.

Warum es mir wichtig ist, am Kirchentag mitzuwirken.

Ein Beitrag von Markus.

Die Zusammenkunft bei unserem Bundestreffen im Februar war schon allein auf Grund des Aufeinandertreffens so verschiedener Geschwister die Reise wert. Stephan schreibt einen Bericht dazu. Das wollte ich ursprünglich auch tun und dann fielen mir die Aufnahmen ein. Das Ersten Foto: Wir im Sonnenschein, strahlend in einer prächtigen Schneelandschaft. Das Zweite Foto: fast das gleiche Bild. Allerdings strahlt hier nur Stephan – von uns anderen sind lediglich die Hinterköpfe zu sehen. Wir hatten uns umgedreht, um Anonymität zu wahren.

Warum? Wir sind alle bekennende BDSMer und mit ganzem Herz Christ. Warum verstecken wir uns vor der Veröffentlichung unserer Gesichter auf der BDSM-und-Christsein-Website? Meine persönliche Antwort ist die Sorge darum, künftig von den christlichen Arbeiten außerhalb dieses Arbeitskreises ausgeschlossen zu werden. Die meisten Reaktionen, die ich bislang im christlichen Umfeld bekommen habe, weisen in genau diese Richtung. Mein Bekenntnis zu mir selbst, meiner Identität als Mann, der im BDSM eine tiefe, intensive Form der Beziehung lebt, erregt Anstoß. Es scheint offensichtlich zu einem Widerspruch zur Uniformität und liebgewonnenen Denktradition im christlichen Kontext empfunden zu werden. Dass wir alle gleichermaßen als begnadigte Sünder vor unserem Herrn Jesus stehen, verliert dabei die bedeutsame Position, die allein das Evangelium einnehmen muss.

Und plötzlich sind wir als Christen wie der Rest der Welt, halten uns mit Vorurteilen und Befindlichkeiten auf. Weil für mich Jesu letztes Gebot an seine Jünger „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,35) besondere Bedeutung hat, will ich meine Geschwister eben darin unterstützen. Den „Anderen“ in mir zu lieben zu lernen – auch wenn ich nicht in die tradierten Konzepte passe. Damit die Möglichkeit zu bieten, aus der Deckung der vordergründigen Wohlanständigkeit zu treten und die Freiheit, die aus Gottes Gnade ist, neu zu entdecken und in Anspruch zu nehmen. Ich komme nicht in den Himmel, weil ich gut bin. Ich komme in den Himmel, weil Jesus gut ist. Geht es Dir auch so? „Niemand ist gut als Gott allein“ (Mk 10,18; Lk 18,19) sagt unser Herr. Und „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Das reicht. Für jeden, der es anzunehmen bereit ist.

Und da kommt mir das Kirchentagsmotto in den Sinn: „Jetzt ist die Zeit“ … „wieder Salz und Licht zu sein“ ergänze ich für mich und mache mich auf, sichtbar und ansprechbar zu sein. Meine Reise und den Kirchentagsstand unseres Arbeitskreises zu planen. Vielleicht sehen wir uns im Juni in Nürnberg?

Und, ach ja – das Foto: Ich werde mich nicht mehr verstecken. Bin mal gespannt, wie das die Anderen sehen.

Markus (Raum Berlin)

Von Markus gibt es auch einen Bericht zum Kirchentag 2023.

Als ich acht Jahre alt war, schaute ich mir im Kreis meiner Familie einen Fernsehfilm an. Wüstenräuber überfielen eine Karawane und legten die erbeuteten Frauen in Ketten. Die Gefühlsexplosion, die diese Bilder in mir auslöste, stellte alles in den Schatten, was ich bis dahin empfunden hatte. Ich lief ins Bad, weg von den Anderen. Bloß weg von den Anderen. Mit 8 war ich überzeugt, dass ich herausgeworfen würde aus der menschlichen Gemeinschaft, wenn jemand merkt, was da in mir tobt. Das war 1979 in einem schwäbischen Dorf. Google, mit all seinen Möglichkeiten, ging erst 18 Jahre später online.

Dieses „Bloß weg von den Anderen“ blieb mein innerer Begleiter. Über dreieinhalb Jahrzehnte habe ich das Versteckspiel und damit meine Maske perfektioniert. War nie wirklich in Beziehung gegangen. Zu monströs erschien mir das, was in meinem Inneren lauerte. Und das keinesfalls entdeckt werden durfte. Selbst Menschen, die glaubten mir nahe zu stehen, kannten mich nicht wirklich.

Mit meinem Christwerden 2003 verschärfte sich mein innerer Konflikt. Und anders als an vielen anderen meiner Baustellen hat Gott mir für mein pervers-sein keine Veränderung geschenkt. Trotz vieler Jahre des Gebets.

Endlich, 2013 gab ich es auf, ein Anderer werden zu wollen. „Normal“ sein zu wollen. Zerbrach. Ließ mich von Gott aus meiner Sackgasse herauslieben. Veränderte mein Leben grundlegend. Erzählte meinen Freunden die Wahrheit über mich und legte so nach und nach den Sumpf aus Lügen und Geheimnissen in meinem Leben trocken.

10 Jahre sind seither vergangen. Bezüglich vieler Aspekte bin ich inzwischen zu dem Mann geworden, den ich mir damals als Mentor gewünscht hätte. Ton, geformt von Gottes Hand. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist die Bereitschaft, Christi Leib zu dienen. Übergemeindlich, ökomenisch. Wenn Du Dich also allein mit Dir in Deinem so&so-anders-sein fühlst, sprich mich an: markus@bdsm-und-christsein. Du findest in mir einen Glaubenspraktiker mit reichlich reinigendem Zerbruch im Leben. Und voll Dankbarkeit für die tiefen Beziehungen, die so ermöglicht werden.

Die gute Nachricht des Evangeliums gilt für Dich&Mich. 100%. Jesus sagt „Es ist vollbracht.“ (Johannes 19,30)

Kirchentag 2017 in Berlin

Kirchentag 2017 in Berlin – oder warum es sich lohnt, hier im Arbeitskreis mitzuwirken. Ein Bericht von Markus, der für den Arbeitskreis mit dabei war.

Das Vorbereitungstreffen zum Kirchentag 2017 bedeutete für mich gleich einer ganzen Reihe von Menschen erstmals persönlich zu begegnen. Menschen aus ganz Deutschland. Menschen mit großer Leidenschaft für Gott. Und für die intensive Form von Sexualität, die sich im Machtgefälle von bdsm entfaltet.

Als ökomenischer und übergemeindlicher Arbeitskreis sind die Menschen hier noch bunter, als Christi Leib es ansonsten ohnehin schon ist. Nix mit schwarz als Dresscode oder alle in Lack und Leder. Mir war klar, hier gehöre ich hin.

Am nächsten Morgen beim gemeinsamen Standaufbau im „Markt der Möglichkeiten“ des Kirchentags, kurz vor der eigentlichen Öffnung unseres Bereichs steht plötzlich eine junge Frau vor uns und schaut sich unsicher um: Sie hat sich abgesetzt von Ihrer Gruppe erzählt sie und blickt nochmal über die Schulter. Die sind jetzt alle bei…und sie wollte unbedingt mit jemandem sprechen.

Dann kommt die ganze Not heraus, mit dem so-sein, anders-sein, ob-ich-das-darf, was-ist-wenn-das rauskommt…

Eine gute halbe Stunde hatten wir ungestört Zeit miteinander zu sprechen. Sie ließ sich ein, mit ihren Sorgen und Unsicherheiten gesehen und ein Stück weiter begleitet zu werden. Sie ließ sich Mut zu machen, Gott bezüglich seines sie-so-liebens-wie-sie-ist eine ganze Menge mehr zuzutrauen, als sie bislang zu glauben bereit war. Auf Ihre Fragen hin konnte ich nach und nach erzählen, wie herausfordernd und gut das Führen-und-Folgen in einer Ds-Paarbeziehung im Alltag sein kann. Oder auch von der besonderen Kraft und Beweglichkeit beider Partner in der Sicherheit eines klar erlebbaren „Ja“ zueinander. Davon, wieviel leichter und konstruktiver gemeinsam Konflikte lösbar sind, wenn beide Partner wirklich zu sich selbst stehen. Und damit auch zueinander. Wie sich im bdsm aufgestaute Gefühle und Spannungen wirksam in ein wohliges Miteinander umsetzen lassen. Und wie all dies letztlich in einer stabilen, sicher gebundenen Familie – ruhend auf der tiefen gegenseitigen Hingabe beider Partner – münden kann.

„An der Liebe untereinander soll die Welt erkennen, dass Ihr meine Jünger seid“ (Johannes 13,35) fällt mir ein, als ich nach unserem Gespräch noch mit einem Lächeln da stehe. Die Begegnung, die gerade stattgefunden hat, trägt ganz klar Gottes Handschrift. Meine Gesprächspartnerin brauchte keine differenzierte theologische Analyse (dann wäre ganz klar ein Anderer ihr Ansprechpartner gewesen). Sondern einen Praktiker wie mich, der ihr aus gemachter Erfahrung davon berichten kann, wie viel Segen darin liegt, Gottes „Ja“ zu mir (er sieht wie ich wirklich bin) ernst zu nehmen.

Und ich bleibe dankbar zurück, weil ich Gott für all das Gute und Mutmachende, von dem ich berichten konnte, die Ehre geben kann.

An unserem Stand gab es noch viele interessante Unterhaltungen. Oft waren wir alle gleichzeitig im Gespräch. Die Bandbreite reichte von einem etwas distanzierten: „wasss für ein Arbeitskreis seid Ihr???“ bis zum: „bdsm und Christsein passt doch locker zusammen – wozu braucht es da einen Arbeitskreis?“ einer Gruppe Berliner Studenten.

Wozu wir gebraucht werden? Meine Antwort darauf findet sich im Zustandekommen des oben geschilderten Gespräches: Im Abholen von Geschwistern aus ihrer individuellen Situation und manchmal auch Sackgasse.

Weil wir eine ziemlich bunte Truppe sind, wird Euch jeder von uns eine etwas andere Antwort auf die Frage nach dem Sinn eines ökmenischen Arbeitskreises „bdsm und Christsein“ geben. Nimm Dir also Zeit, den für Dich passenden Gesprächspartner unter uns zu finden.

Vielleicht sehen wir uns ja auf dem Kirchentag 2023 in Nürnberg?

Markus