LGBTQIA+ und BDSM-und-Christsein.de

Der Vorwurf der Engstirnigkeit an uns als Christen ist aus meiner Sicht nicht weit hergeholt. Wir beziehen uns über alle konfessionellen Grenzen hinweg auf den einen Christus, der von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben…niemand kommt zum Vater als nur durch mich“ (Joh. 14,6).

Rumms, die Tür zu für alternative Gottesbilder oder eine unverbindlich-gestaltlose Spiritualität. Eine Wahrheit, ein Weg, ein Leben nur aus Jesus. Und der hinterlässt uns ein neues Gebot, kurz bevor er am Kreuz von Golgatha sagt: „Es ist vollbracht“: „An eurer Liebe zueinander werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid.“ (Joh. 13,35).

Gott hat es gefallen, uns alle so kunterbunt-verschieden zu machen, wie wir sind. Eine Facette dieser Buntheit sind wir hier als Christen, die gleichzeitig BDSMler sind. Gerne halte ich darum die Regenbogenflagge hoch als Gegenbewegung zu menschengemachter Ausgrenzung. Gott liebt alle Menschen. Alle? Ja, alle. Wirklich alle.

Wenn man sich nun bei Wikipedia das „Q“ von LGBTQIA+ „Queer“ ansieht, findet man die am weitesten offene Definition von queer, die alle Menschen inkludiert, „die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen oder nicht entsprechen wollen“

Jesus hat sich genau diesen Menschen immer wieder zugewandt. Und uns die Aufforderung hinterlassen, es ihm nachzutun. Und wir sind – zumindest unter dem Dach christlicher Kirchen – eben diese Menschen, „die der gesellschaftlichen Norm nicht entsprechen“

Nur ein Gott – ja! Aber seine Liebe ist groß genug für alle Menschen. Egal wie deine sexuelle Identität aussieht.

Warum es mir wichtig ist, am Kirchentag mitzuwirken.

Ein Beitrag von Markus.

Die Zusammenkunft bei unserem Bundestreffen im Februar war schon allein auf Grund des Aufeinandertreffens so verschiedener Geschwister die Reise wert. Stephan schreibt einen Bericht dazu. Das wollte ich ursprünglich auch tun und dann fielen mir die Aufnahmen ein. Das Ersten Foto: Wir im Sonnenschein, strahlend in einer prächtigen Schneelandschaft. Das Zweite Foto: fast das gleiche Bild. Allerdings strahlt hier nur Stephan – von uns anderen sind lediglich die Hinterköpfe zu sehen. Wir hatten uns umgedreht, um Anonymität zu wahren.

Warum? Wir sind alle bekennende BDSMer und mit ganzem Herz Christ. Warum verstecken wir uns vor der Veröffentlichung unserer Gesichter auf der BDSM-und-Christsein-Website? Meine persönliche Antwort ist die Sorge darum, künftig von den christlichen Arbeiten außerhalb dieses Arbeitskreises ausgeschlossen zu werden. Die meisten Reaktionen, die ich bislang im christlichen Umfeld bekommen habe, weisen in genau diese Richtung. Mein Bekenntnis zu mir selbst, meiner Identität als Mann, der im BDSM eine tiefe, intensive Form der Beziehung lebt, erregt Anstoß. Es scheint offensichtlich zu einem Widerspruch zur Uniformität und liebgewonnenen Denktradition im christlichen Kontext empfunden zu werden. Dass wir alle gleichermaßen als begnadigte Sünder vor unserem Herrn Jesus stehen, verliert dabei die bedeutsame Position, die allein das Evangelium einnehmen muss.

Und plötzlich sind wir als Christen wie der Rest der Welt, halten uns mit Vorurteilen und Befindlichkeiten auf. Weil für mich Jesu letztes Gebot an seine Jünger „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Joh 13,35) besondere Bedeutung hat, will ich meine Geschwister eben darin unterstützen. Den „Anderen“ in mir zu lieben zu lernen – auch wenn ich nicht in die tradierten Konzepte passe. Damit die Möglichkeit zu bieten, aus der Deckung der vordergründigen Wohlanständigkeit zu treten und die Freiheit, die aus Gottes Gnade ist, neu zu entdecken und in Anspruch zu nehmen. Ich komme nicht in den Himmel, weil ich gut bin. Ich komme in den Himmel, weil Jesus gut ist. Geht es Dir auch so? „Niemand ist gut als Gott allein“ (Mk 10,18; Lk 18,19) sagt unser Herr. Und „Es ist vollbracht“ (Joh 19,30). Das reicht. Für jeden, der es anzunehmen bereit ist.

Und da kommt mir das Kirchentagsmotto in den Sinn: „Jetzt ist die Zeit“ … „wieder Salz und Licht zu sein“ ergänze ich für mich und mache mich auf, sichtbar und ansprechbar zu sein. Meine Reise und den Kirchentagsstand unseres Arbeitskreises zu planen. Vielleicht sehen wir uns im Juni in Nürnberg?

Und, ach ja – das Foto: Ich werde mich nicht mehr verstecken. Bin mal gespannt, wie das die Anderen sehen.

Betreiben die Postevangelikalen Sadomasochismus?

Erwiderung zu einer falschen Schrift-Auslegung durch Ulrich Parzany

Ein Beitrag von André

Mk 5, 1-5: „1 Und sie kamen ans andere Ufer des Sees in das Gebiet der Gerasener. 2 Und kaum war er aus dem Boot gestiegen, lief ihm sogleich von den Gräbern her einer mit einem unreinen Geist über den Weg. 3 Der hauste in den Grabhöhlen, und niemand mehr vermochte ihn zu fesseln, auch nicht mit einer Kette. 4 Denn oft war er in Fussfesseln und Ketten gelegt worden, doch er hatte die Ketten zerrissen und die Fussfesseln zerrieben, und niemand war stark genug, ihn zu bändigen. 5 Und die ganze Zeit, Tag und Nacht, schrie er in den Grabhöhlen und auf den Bergen herum und schlug sich mit Steinen.“

Vor einigen Jahrzehnten las ich in einer christlichen Jugend-Zeitschrift einen Artikels namens „Jesus und der Grufti“. Bei dem „Grufti“ handelte es sich um den Besessenen Gerasener. In der damaligen Jugendsprache meinte man mit einem „Grufti“ einerseits einen sehr alten Mann, andererseits einen Angehörigen der Schwarzen Szene, auch bezeichnet als Goth, Waver, „New Romantic“. Also jemanden, der Bands wie The Sisters of Mercy, Das Ich, Deine Lakaien, Fields of the Nephilim, Goethes Erben, Nick Cave, Silke Bischoff, And One, Front 242, VNV Nation, Welle:Erdball u.v.a.m. toll findet, sich schwarz anzieht und auffällig stylt (u.a. mit einem Kajal). Letzteres war im Artikel gemeint.
Ulrich Parzany hat am 10.4.2022 in der Halle 4 in Friedewald in einem Gottesdienst der EFG Daaden (einer Gemeinde im Westerwald) den Text anders auslegt: Laut Parzany ist der Besessene Gerasener ein „sehr moderner Mensch“, der „Sadomasochismus“ betreibt.
Es mag zwar Überschneidungen geben, aber die meisten modernen Menschen sind keine Anhänger von Goth Rock oder Dark Wave, und die meisten Goths sind auch keine Sadomasochisten.
Meint die Bibel mit dem, was sie sagt, wirklich mal dieses, mal jenes, je nachdem, wie es der jeweilige Ausleger behauptet?

Florian Sondheimer unterscheidet verschiedene Typen von Hermeneutik. In der pietistischen Hermeneutik, die auf Bengel zurückgeht, wird laut Sondheimer der Bibel-Text immer ohne Umwege direkt auf Gläubigen angewandt. Es gibt tatsächlich einige wenige Bibeltexte, die dafür geeignet sind, da sie entsprechend konzipiert sind (z.B. Joh 10, 14-15 + 27-30).
In „Jesus und der Grufti“ wurde eine pietistische Hermeneutik angewandt. Einige oberflächliche Ähnlichkeiten, nämlich der Aufenthalt auf dem Friedhof und Ketten, die bei einigen Goths als Styling-Elemente vorkommen, wurden zum Anlaß genommen, eine angebliche Identität zu behaupten.

Für Ulrich Parzany stehen die zerrissenen Ketten und die zerriebenen Fußfesseln des Besessenen Geraseners für göttliche und gesellschaftliche Gebote, Normen und Einschränkungen, von denen der „sehr moderne Mensch“ sich völlig frei gemacht hat. Jener sei ein „postmoderner Mensch“, und er „will sich absolut nur selbst bestimmen“. Parzany erklärt: Er habe verstanden: Die Perikope „steht in der Bibel, weil Jesus schon damals demonstrierte, wie er das mit dem sehr, sehr modernen Menschen“ handhabte. Es ist damit offenkundig, daß auch Parzany hier die defiziente pietistische Hermeneutik angewendet hat, wo man den Bibeltext ohne den Umweg über die historische Einordnung direkt auf die Gegenwart bezieht.
Bei dem sehr modernen Menschen würde man nun eigentlich an einen atheistischen Amoralisten denken, der die Schranken von Religion und Moral hinter sich läßt, wie von de Sade und Nietzsche propagiert. Oder zumindestens an die vielen Leute, die den Glauben verloren haben und aus der Kirche austreten. So jemand erhebt sich über Gott: „ascenderet creatura super creatorem“ (Anselm, S. 24, Cap. III, [21]). Ein modernes Beispiel wäre der „Homo Deus“ von Yuval Harari.

Doch so jemanden meint Parzany gar nicht, denn „der sehr moderne Mensch ist auch bereit, an Gott zu glauben, denn man hat allemal so Schwächeanfälle und Probleme, und da freut man sich, wenn es irgendein höheres Wesen gibt, das einem ein bißchen aus der Patsche hilft. Insofern: Religion – sehr willkommen! Nur: die Politik meines Lebens bestimme ich selber: das ist das Kennzeichen des modernen Menschen.“ Parzany spricht also von Theisten, die seine Auffassungen bzgl. des Gesetzes nicht teilen. Meint er die Anhänger des Wohlstandsevangeliums, auf die seine Beschreibung paßt, oder die Postevangelikalen, mit denen er sich in den letzten Jahren über eine sexualethische Frage zerstritten hat?
Laut Parzany gehört zum „Glaubensbekenntnis“ des sehr modernen Menschen auch die Maxime: „Sei authentisch!“ Laut Thorsten Dietz (in Berufung auf Tomlinson) gilt: „Authentizität ist für Postevangelikale ein zentraler Wert. Diesen Wert teilen sie bewusst mit der modernen Gesellschaft, die Anpassung und Unterdrückung eigener Bedürfnisse nicht mehr angemessen findet.“ Der Text von Dietz ist ca. zwei Monate älter als die Predigt von Parzany.
Es liegt nahe, daß Parzany bei seiner Rede von dem „sehr modernen Menschen“ Postevangelikale aus dem Freundeskreis im Thorsten Dietz, Macher und Fans von Worthaus und Hossa Talk, meint. Werden diese durch den Besessenen Gerasener, der sich auf dem Friedhof wild gebärdet, herumschreit und sich mit Steinen schlägt, adäquat porträtiert?

Laut Parzany betreibt der Besessene Gerasener „Sadomasochismus“, indem er sich mit Steinen selbt verletzt – ein weiteres Beispiel für pietistische Hermeneutik, wo irgendwas in der Bibel mit einem irgendwie ähnlich erscheinenden Phänomen der jeweiligen Gegenwart gleichgesetzt wird. Tatsächlich hat das Verhalten des Besessenen Geraseners mit Sadomasochismus überhaupt keine Gemeinsamkeiten. Masochisten versuchen üblicherweise nicht, ihre Ketten kaputtzumachen. Sadomasochisten laufen auch nicht schreiend Tag und Nacht durch die Gegend, sondern versuchen, in vernünftigen Gesprächen herauszufinden, wem sie vertrauen können und wem nicht. Sadomasochisten verwenden bei ihren Praktiken nie Steine. Sie betreiben auch üblicherweise keine Selbstverletzungen, sondern suchen Spielpartner. Für Masochisten geht es u.a. auch darum, dem Willen einer anderen Person unterworfen zu sein. Selbstauspeitschung ist da nur eine schlechte Simulation. Sadomasochisten laufen auch nicht die ganze Zeit in Unterwäsche durch die Gegend, wie Lk 8, 27 erzählt. Der Gerasener hat offenbar keine Selbstkontrolle, während Sadomasochisten sich intensiv mit Sicherheitsregeln befassen, ähnlich wie Bergsteiger.
Die Suche nach einer aktuellen Anwendbarkeit des Bibeltextes führt offenbar zu einem völlig unpassenden, künstlich erzwungenen Gegenwartsbezug.

In der Reformation wurde laut Sondheimer die anscheinend von Sondheimer so genannte präteristische Hermeneutik entwickelt. Hierbei muß man den Kontext beachten, Parallelstellen zu Rate ziehen und eine historische Kontextualisierung durch Einleitungsfragen herstellen. Man soll erst klären, wie ein Text von seinen ersten Rezipienten verstanden wurde, bevor man den Bezug zur Gegenwart herstellt.
Man sollte also nicht unterstellen, daß einem heutzutage jemand wie der Besessene Gerasener über den Weg läuft, oder daß man Personen von heute ohne weiteres in dieselbe Kategorie einordnen kann wie den Gerasener. Vor allem darf man Unterschiede nicht glattbügeln.
Die antiken Leser von Markus haben bei dem Gerasener sicher weder an einen Gruftie, noch an einen Sadomasochisten, noch an jemanden, der sich aufgrund von Selbstüberhebung von allen Regeln und Konventionen frei macht, gedacht. Die „Reformation Study Bible“ von R.C.Sproul nennt dann auch keine der drei Auslegungen in ihrem Kommentar.
Eine Parallelstelle scheint Römer 8 zu sein: „38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“

Jesus wird von den Gerasenern weggeschickt. Parzany zieht dazu eine Parallele in der Gegenwart, wenn Leute sich gegen den „Fundamentalismus“ abgrenzen. Das wichtigste Dokument des Fundamentalismus sind die Chicago-Erklärungen.
Jene fordern die präteristische Hermeneutik: „Die Heilige Schrift ist, wie es der Apostel Petrus sagt, nicht der privaten Auslegung zu überlassen (2Petr 1,20). Darum billigen wir nicht jede beliebige Auslegung. … Wir erkennen dagegen nur die Schriftauslegung als wahr und ursprünglich an, die aus den Schriften selbst erarbeitet ist, (aus dem Geist der Sprache gewonnen, in der sie geschrieben sind, und zwar dem Zusammenhang entsprechend und nach dem Verständnis ähnlicher oder unterschiedlicher, vor allem aber deutlicherer Stellen,)“ (Schirrmacher, S. 90)
Ulrich Parzany hat mit seiner pietistischen Schriftauslegung das Niveau der reformatorischen und der fundamentalistischen Bibelauslegung verfehlt.

Der Unterschied zwischen der präteristischen und der historisch-kritischen Hermeneutik scheint der Unterschied zwischen historischer Einordnung und historischer Relativierung zu sein. Die präteristische Hermeneutik versteht einen Bibeltext aus seiner Zeit heraus. Die historisch-kritischen Hermeneutik tut dies auch und nimmt die zeitliche Einordnung zum Anlass für die Möglichkeit, einen Textabschnitt für obsolet zu erklären, je nachdem, wie es dem „Ausleger“ erscheint.
Armin Baum macht einen ähnlichen Unterschied mit ganz anderen Begriffen als Sondheimer. Baum unterscheidet zwei verschiedene Typen von historisch-kritischer Methode, deren entscheidender Unterschied die Wunderkritik sei.
Die historisch-kritische Auslegung von Mk 5 mache ich mir nicht zu eigen. Laut derselben sei „der Clou der Erzählung“ (Stuttgarter Studienbibel, S. 137) folgender: Die Dämonen im Besessenen Gerasener stehen für die Legio X Fretensis. Die Aussage des Textes wäre dann, daß Yeschua stärker ist als die römische Militärmacht.

Gründe dafür:

  • Die Legio X Fretensis hatte einen Eber als Feldzeichen.
  • Die Legio X Fretensis war 66-73 in Iudaea an der Niederschlagung des Jüdischen Aufstandes beteiligt.
  • Markus verwendet in Mk 5 diverse militärische Begriffe, „z.B. „abordnen“ (V.12), „eine Order geben“, „im Gleichschritt marschieren“ (V.14), so jeweilswörtlich übersetzt“ (Stuttgarter Studienbibel, S. 137)

Gründe dagegen:

  • Das eigentliche Symbol der Legio X Fretensis war der Stier, das Symbol der Venus. Nach Schiff und Delphin rangiert der Eber erst an vierter Stelle der Legionssymbole.
  • Der Eber war anscheinend ein Keiler, also ein Wildschwein. Die antiken Darstellungen auf Münzen stehen dem nicht entgegen, auf modernen Repräsentationen der Symbolik ist immer eine Wildschwein wiedergegeben. Die Schweineherde waren hingegen Hausschweine, die seit 9000 Jahren existieren.
  • Die Legio X Fretensis war bis 66 weiter nördlich in Syria, nie in der Dekapolis stationiert und kam erst 66 nach Iudaea. Die Allegorisierung der Dämonen als Legio X Fretensis hängt also an der Spätdatierung des Markus-Evangeliums zusammen, die motiviert ist durch die These, daß Yeschuas Ankündigung der Zerstörung von Jerusalem (in Mk 13, 1-2) keine echte Prophetie, sondern eine spätere Erfindung der Gemeinde sei, und damit mit den Häresien des Adoptionianismus und des Unitarismus.


Eine eher allgemeine Anspielung von Markus auf eine römische Legion wäre aber denkbar. Römische Legionäre existierten zur Zeit Jesu, sehr moderne Menschen hingegen nicht. N.T. Wright, der dämonische Mächte nicht leugnet, erklärt ohne Bezug auf eine bestimmte Legion, daß die Juden der Antike die imperiale römische Macht als „satan incarnate“ (Wright, p. 55) ansahen. Er verweist auf die Darstellung von Imperien als Monster in Daniel 7 und erklärt das Römische Imperium zum „Monster of all monsters“ und „nation of pigs“ (Wright, p. 56). Es ginge Mark demnach um die zerstörerische Macht von imperialen Kriegen mit all ihren Morden, Zerstörungen, Vergewaltigungen und Traumatisierungen. Angesprochen fühlen darf sich dann jeder imperiale Kriegstreiber der Gegenwart, nicht hingegen Postevangelikale oder Leute, deren theologische Meinungen mit denen von Ulrich Parzany nicht übereinstimmen.

Laut Wright geht es im Evangelium letztlich darum, daß die Anhänger von Yeschua „put into practice the victory he achieved“ (Wright, p. 57). Ob eine diffamierende Eisegese wie bei Parzany dazu wirklich etwas beiträgt???

Quellen:

Abraham: Sadomasochismus und christliche Ethik

Der Text von Abraham (nicht der bürgerliche Name des Autoren) entstand in den ersten Jahren des Arbeitskreises (ca. 1999 bis 2004). Deshalb ist im Titel auch noch von Sadomasochismus und nicht von BDSM die Rede. Das ist zu bedenken, weil das gesellschaftliche Umfeld sich seit dem sehr geändert hat. Die Überlegungen zur Bibel sind aber noch aktuell.

Gibt es eine Hölle und falls ja, kommt man wegen BDSM dort hin?

Ein Beitrag von Stephan

Schon vor der Aufnahme der Folge des Podcast „ Kunst der Unvernunft“ war mir klar, dass Sebastian mich fragen würde, ob man für BDSM in die Hölle kommt. Vor der Aufnahme war mir allerdings nicht klar, wie komplex meine Antwort auf diese Frage wirklich ist.

Erst, wenn ich versuche systematisch zu erklären, merke ich, dass ich meine Philosophie nicht in einem Podcast unterbringen kann. Deshalb hier für Menschen, die es interessiert, eine ausführlichere Version:

Die Frage, ob man für BDSM in die Hölle kommt hat eine gewisse Ironie, weil der Begriff BDSM bei Menschen, die es nicht kennen, Bilder hochkommen lässt, die als Hölle ansehen werden könnten. Aber das ist ein Missverständnis oder schwarzer Humor. Da BDSM, einvernehmlich ist, hat es mit den Vorstellungen, die als Hölle bezeichnet werden, nichts zu tun. Man sollte hier nicht danach gehen, wie es aussieht, sondern, wie es sich für die vermeintlichen „Opfer“ anfühlt.

Ein ernster Hintergrund ist, dass die Kirchen Jahrhunderte lang den Menschen mit der Hölle gedroht haben. Dabei standen die sexuellen „Sünden“ tatsächlich im Vordergrund. Heute sehen wir darin aber ein falsches Ringen um Macht und Geld. Wie und warum es dazu kam, werde ich in einem anderen Artikel beschreiben.

Viele Menschen brauchen tatsächlich die Vorstellung von der Hölle, um ein gutes Leben führen zu können. Sie wollen sich kontrolliert fühlen. Es ist philosophisch relativ komplex zu erklären, warum ein gutes Leben zu führen auch dann besser ist, wenn keiner kontrolliert oder wenn man sogar die „Macht des Stärkeren“ hat. Solange man die Vorstellung als Hilfe braucht und sich damit nicht schadet, meinetwegen. Aber der Weg der Einsicht ist der bessere.

Keine Lösung bedeutet für mich die Annahme, dass es vermutlich gar keine Hölle gibt, weil es dann, aus meiner Sicht, vermutlich, auch kein ewiges Leben gäbe.

Etwas, dass man Hölle nennen kann gibt es jedenfalls im diesseitigen Leben. Die Hölle in der realen Welt, die Menschen anderen Menschen bereiten. Also wenn wir unsere Erinnerungen mitnehmen, gäbe es diese auch im künftigen.

Unsere irdischen Denken, Fühlen und Erinnern hängt immer mit unserem Gehirn, also unserem Leib zusammen. In der Raum- und Zeitlosigkeit kann dies aber nicht mehr so sein. Wenn wir einen „Auferstehungsleib“ bekommen, so muss dieser ganz anders sein. Wir werden, so vermute ich, und so verstehe ich die Bibel, nicht nur unsere Erinnerungen mitnehmen, sondern im „Erkennen von Angesicht zu Angesicht“ auch das Wissen um die Erinnerungen der anderen. Also auch derer, denen wir vielleicht böses angetan haben.

Wenn wir also schlechtes getan haben, nehmen wir das schlechte mit, aber eben auch das gute. Selbst wenn wir es im leiblichen Leben nicht bemerkt oder sogar verdrängt haben. Das meist wird natürlich irgendwo in der Mitte liegen.

Eine Hölle, wie bei Dante gibt es ganz sicher nicht. Hier setze ich für mich also kein vermutlich, sondern ein klares: „Nein“. Das merkt man dem Text aber auch schon an, dass er eher als eine Karikatur der realen Welt gemeint ist.

Vor Geschichten, wie dieser, sollten wir tatsächlich keine Angst haben. Die biblischen Geschichten, in denen so was wie die Hölle vorkommt, sind jedenfalls ganz anders als unsere Alltagsvorstellungen von der Hölle, die vermutlich eher Dante ähneln. Ein für mich anschauliches Beispiel ist die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk. 16, 23), die mich sehr beeindruckt.

Oft ist die Übersetzung „Hölle“ auch irreführend, weil wir da eben an Dante denken. Diese Vorstellungen entstammen aber erst dem Mittelalter. Eine gute Übersicht der Entwicklung dieser Vorstellungen findet sich im Bibellexikon.

Der Fokus der Bibel liegt nach meinem subjektiven Eindruck eindeutig bei Gnade und Vergebung, aber eben nicht bei „ist doch egal“. Deshalb macht für mich die Hölle Sinn, aber keine Angst.

Also wenn man sich selbst mit Bildern von der Hölle motiviert, aber diese nicht wirklich ernst nimmt, dann ist das in Ordnung. Wenn man anderen Angst macht, ist das nicht nicht mehr in Ordnung. Wenn man Warnungen ausspricht, das Leben ernst zu nehmen, wie die Bibel es tut, dann ist das gut.

Was mir wirklich Angst macht, ist der Glaube vieler Menschen an die Beliebigkeit, also dass es in letzter Konsequenz gar nicht darauf an kommt, ob man gutes oder schlechtes anstrebt. Die reale Hölle, wenn solche Mensch anderen etwas böses tun, einfach, weil sie es können, gibt es jedenfalls. Aber genauso sind dann auch, die Menschen, die nur meinen gutes zu tun und in Wahrheit schlechtes tun, wie die „ernsthaften Prediger der Hölle“.

Grundsätzlich denke ich, dass mehr auf die Lebendigkeit ankommt. Angst machen ist wie beschrieben keine Lösung. Die Fragestellung nach der Hölle ist meine Erachtens deshalb schon falsch, den BDSMler sind, nach meiner Auffassung, eher ein Fall fürs Paradies. Denn wer das Geschenk des Lebens und der Lebendigkeit so konsequent annimmt, nimmt schöne und intensive Erfahrungen mit. Er oder sie tut Menschen etwas gutes. Also: Kommen wir wegen BDSM in Paradis?

Die Gefahr, den Sinn des Lebens zu verfehlen besteht im Rückblick jedenfalls eher in der Oberflächlichkeit mit der wir unsere Lebenszeit oft verschwenden, statt gutes zu tun und zu empfangen.

Vermutlich habt ihr, die ihr diesen Text von mir lest ganz andere Vorstellungen von der Hölle oder einem Weiterleben nach dem Tod und welche Rolle die Sexualität dabei spielt. Falls ihr auch Lust habt, euch darüber auszutauschen, schreibt gern in die Kommentare per Mail. Auch auf den Treffen des Arbeitskreis kommen wir immer wieder auf solche Themen.

Stephan bei „Kunst der Unvernunft“

Ein Beitrag von Stephan

Im Dezember war ich bei Sebastian zur Aufnahme einer Folge seines Podcast „Kunst der Unvernunft“. Jetzt im Januar ist sie veröffentlicht. Es war mir ein Anliegen den Arbeitskreis im BDSM Podcast Kunst der Unvernunft vorzustellen, weil unser Thema BDSM und Christsein immer mal wieder Thema in den Folgen war. Dazu wollte ich eine weitere Meinung beitragen. Auch der Arbeitskreis wurde schon erwähnt und da lag es für mich nahe, ihn auch vorzustellen.

Ich hatte einen Menge Dinge, die ich erzählen wollte, aber wie immer in Gesprächen waren es zum Teile andere Aspekte, über die wir geredet haben. Auf einige Fragen fand ich während des Gesprächs keine passenden Antworten. Vor allem, wie ich hinterher festgestellt habe, weil wir als Arbeitskreis zu den meisten Fragen keine eindeutigen Antworten geben können, weil es keine allgemeingültigen Antworten gibt.

Wenn ich als Individuum sage, für mich ist das so, oder so, dann ist das viel entspannter. Sicher habe ich dann auch einige Positionen, die andere nicht teilen. Wie das man für guten Sex, den man hätte haben können, aber aus falschen Gründen vermieden hat, im ewigen Leben auch die Konsequenzen haben wird. Die Lebendigkeit, die wir als Menschen haben ist ein einmaliges Geschenk, dass wir zu gutem nutzen sollen. Die Frage was gut ist, ist natürlich komplex. Deshalb ist so ein BDSM Podcast wie die Kunst der Unvernunft ja so wichtig.

Bei meinen Beurteilungen gehe ich oft nach dem, was Fachleute schreiben, satt nach dem was Menschen meinen. Das kann leicht missverstanden werden. Wenn ich in der Folge sage: Das Thema BDSM ist durch, meine ich die Fachleute, die wenn sie solche sind, auch wissen, dass es einvernehmlichen BDSM gibt. Den Menschen in den Kirchen ist das nicht immer klar. Aber diesen Reflex BDSM muss doch schlecht sein gibt es außerhalb der Kirchen auch. Im Gespräch merkt man den Unterschied, dass Menschen, die so denken ihre Meinung nicht begründen können. Das passiert den Fachleuten nicht.

Das mit den Gefahren des BDSM ist dann der sichere Hafen, wenn man gegen BDSM ist. Dieser Aspekt kam in der Folge nur ganz kurz. BDSM ist nicht gefährlicher als anderes. Man kann auch so Opfer von Gewalt oder eines Unfalles werden. Die Angst viele Menschen ist bei BDSM höher, auch weil sie nicht wissen wie es geht. Wie man zum Beispiel herausfindet, ob man einem möglichen Partner vertrauen kann oder besser doch nicht. Menschen mit Erfahrung haben da eine Strategie und damit ein geringeres Risiko.

In einem Gespräch darüber was gut und richtig ist haben irrationale Ängste nur indirekt eine Bedeutung, dass man über sie spricht. Im Alltag sind sie aber sehr wichtig, denn wir müssen dort mit ihnen leben. Bitte werdet durch meine Einschätzung in der Folge des Podcast nicht unvorsichtig in eurem Alltag.

Was sagt die Bibel zu BDSM?

Das Konzept BDSM gab es zu biblischer Zeit noch nicht, also kann in den Texten der Bibel auch nichts dazu stehen. Zum Thema Sexualität und auch zu Machtverhältnissen findet sich aber sehr viel. Daraus kann man natürlich Rückschlüsse zu BDSM heute schließen. Diese werden wegen der großen Vielfalt von BDSM-Identitäten und Glaubensformen auch innerhalb des christlichen, sehr unterschiedlich ausfallen. Ihr findet in den Texten auf unserer Seite schon sehr viele individuelle Ansätze.

Ist das Christentum nicht sexualitätsfeindlich?

Ein Beitrag von Stephan

Nein, schon im Judentum wird Sexualität eher positiv gesehen und mit Segen und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Es gab ein wichtige Vorstellung von Reinheit und gute Sexualität fand in der Ehe statt.

Daran hat sich mit dem Christentum nichts geändert. Eine neue Variante der Enthaltsamkeit ist allerdings mit Paulus hinzu gekommen, aber sie war nicht gegen die Sexualität gerichtet.

Später gab es dann eine Vorstellung von Sünde, die aber nicht nur christliche Wurzeln (vergl. Gnosis) und die Sexualität innerhalb der Ehe selbstverständlich nicht negativ gesehen hat. Eher sah man die Menschen als schlecht, was die göttliche Vergebung, noch wichtiger machen sollte. Diese Vorstellungen sind aber weitestgehend überwunden. Eine Geschichte der christlichen Sexualmoral ist sehr komplex und mehrere davon unserer Literaturliste zu finden.

Darf man das?

Nicht nur Christinnen und Christen stellt sich beim Thema BDSM die Frage, ob man „das darf“. Ist das, was Menschen unter dem Label BDSM miteinander machen, juristisch und/oder moralisch erlaubt? Menschen christlichen Glaubens stellt sich dabei die zweite Frage, die nach der moralischen Legimitation, allerdings noch einmal dringlicher, denn die christliche Lehre ist unter anderem auch eine Morallehre mit genauen Vorstellungen darüber, wie Menschen gut miteinander umgehen sollen.

Zunächst zur ersten Frage. Juristisch ist BDSM unbedenklich – solange alles, was geschieht, einvernehmlich geschieht, und dabei keine unvernünftigen gesundheitlichen Risiken eingegangen werden. Was vernünftig und was unvernünftig ist, ist natürlich nicht einfach zu definieren – vielleicht lässt es sich am einfachsten an einem Beispiel erläutern. Fahrradfahren ohne Helm birgt gesundheitliche Risiken. Der Gesetzgeber schätzt diese aber als nicht so schwerwiegend ein, dass er Fahrradfahren ohne Helm verbieten würde. Beim Motorradfahren sieht er das anders, und so ist hier der Helm vorgeschrieben und Fahren ohne Helm verboten. Nun hat der Gesetzgeber nicht alle Aspekte erotischer und sexueller Interaktion gleichermaßen detailverliebt durchdekliniert wie das Verhalten im Straßenverkehr. Hier sind also die Beteiligten selbst aufgefordert, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen, um die gesundheitlichen Risiken gering zu halten. Solange sie das beachten und dabei einvernehmlich miteinander umgehen, ist BDSM juristisch unbedenklich.

Ist BDSM aber auch mit christlichen moralischen Wertvorstellungen vereinbar? Das halten wir bei der „richtigen Ausübung“ von BDSM definitiv für gegeben. Ein liebevoller Umgang im Kontext einer BDSM-Beziehung tut allen Beteiligten gut. Ein*e verantwortungsvolle*r Dom achtet mit großer Selbstverständlichkeit auf das Wohlergehen des/der Sub. Umgekehrt steht für den/die Sub idealerweise nicht allein das eigene Erleben im Mittelpunkt. Stets sollte die andere Seite „mitgedacht“ werden. Wenn man dann sieht, dass man nicht nur selber seine Freude an der Interaktion hatte, sondern auch dem anderen etwas geben konnte, ist die Freude doppelt groß.

Natürlich kann BDSM auch lieblos praktiziert werden, wobei dann das eigene Erleben im Mittelpunkt steht und auf das Erleben des Anderen keine Rücksicht genommen wird. Aber das gilt für jede Form erotischer oder sexueller Interaktion. Auch ehelicher Sex kann lieblos und rücksichtslos erfolgen. Es geht also immer um die Liebe. Wenn die Frage zum Thema BDSM lautet, ob „man das darf“, dann lautet die Antwort wie bei allem anderen Verhalten gegenüber anderen Menschen: Liebe, und tu was du willst. OK, den Satz haben wir jetzt bei Augustinus geklaut. Darf man das? Bestimmt…