Ein Beitrag von Stephan
Schon vor der Aufnahme der Folge des Podcast „ Kunst der Unvernunft“ war mir klar, dass Sebastian mich fragen würde, ob man für BDSM in die Hölle kommt. Vor der Aufnahme war mir allerdings nicht klar, wie komplex meine Antwort auf diese Frage wirklich ist.
Erst, wenn ich versuche systematisch zu erklären, merke ich, dass ich meine Philosophie nicht in einem Podcast unterbringen kann. Deshalb hier für Menschen, die es interessiert, eine ausführlichere Version:
Die Frage, ob man für BDSM in die Hölle kommt hat eine gewisse Ironie, weil der Begriff BDSM bei Menschen, die es nicht kennen, Bilder hochkommen lässt, die als Hölle ansehen werden könnten. Aber das ist ein Missverständnis oder schwarzer Humor. Da BDSM, einvernehmlich ist, hat es mit den Vorstellungen, die als Hölle bezeichnet werden, nichts zu tun. Man sollte hier nicht danach gehen, wie es aussieht, sondern, wie es sich für die vermeintlichen „Opfer“ anfühlt.
Ein ernster Hintergrund ist, dass die Kirchen Jahrhunderte lang den Menschen mit der Hölle gedroht haben. Dabei standen die sexuellen „Sünden“ tatsächlich im Vordergrund. Heute sehen wir darin aber ein falsches Ringen um Macht und Geld. Wie und warum es dazu kam, werde ich in einem anderen Artikel beschreiben.
Viele Menschen brauchen tatsächlich die Vorstellung von der Hölle, um ein gutes Leben führen zu können. Sie wollen sich kontrolliert fühlen. Es ist philosophisch relativ komplex zu erklären, warum ein gutes Leben zu führen auch dann besser ist, wenn keiner kontrolliert oder wenn man sogar die „Macht des Stärkeren“ hat. Solange man die Vorstellung als Hilfe braucht und sich damit nicht schadet, meinetwegen. Aber der Weg der Einsicht ist der bessere.
Keine Lösung bedeutet für mich die Annahme, dass es vermutlich gar keine Hölle gibt, weil es dann, aus meiner Sicht, vermutlich, auch kein ewiges Leben gäbe.
Etwas, dass man Hölle nennen kann gibt es jedenfalls im diesseitigen Leben. Die Hölle in der realen Welt, die Menschen anderen Menschen bereiten. Also wenn wir unsere Erinnerungen mitnehmen, gäbe es diese auch im künftigen.
Unsere irdischen Denken, Fühlen und Erinnern hängt immer mit unserem Gehirn, also unserem Leib zusammen. In der Raum- und Zeitlosigkeit kann dies aber nicht mehr so sein. Wenn wir einen „Auferstehungsleib“ bekommen, so muss dieser ganz anders sein. Wir werden, so vermute ich, und so verstehe ich die Bibel, nicht nur unsere Erinnerungen mitnehmen, sondern im „Erkennen von Angesicht zu Angesicht“ auch das Wissen um die Erinnerungen der anderen. Also auch derer, denen wir vielleicht böses angetan haben.
Wenn wir also schlechtes getan haben, nehmen wir das schlechte mit, aber eben auch das gute. Selbst wenn wir es im leiblichen Leben nicht bemerkt oder sogar verdrängt haben. Das meist wird natürlich irgendwo in der Mitte liegen.
Eine Hölle, wie bei Dante gibt es ganz sicher nicht. Hier setze ich für mich also kein vermutlich, sondern ein klares: „Nein“. Das merkt man dem Text aber auch schon an, dass er eher als eine Karikatur der realen Welt gemeint ist.
Vor Geschichten, wie dieser, sollten wir tatsächlich keine Angst haben. Die biblischen Geschichten, in denen so was wie die Hölle vorkommt, sind jedenfalls ganz anders als unsere Alltagsvorstellungen von der Hölle, die vermutlich eher Dante ähneln. Ein für mich anschauliches Beispiel ist die Geschichte vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lk. 16, 23), die mich sehr beeindruckt.
Oft ist die Übersetzung „Hölle“ auch irreführend, weil wir da eben an Dante denken. Diese Vorstellungen entstammen aber erst dem Mittelalter. Eine gute Übersicht der Entwicklung dieser Vorstellungen findet sich im Bibellexikon.
Der Fokus der Bibel liegt nach meinem subjektiven Eindruck eindeutig bei Gnade und Vergebung, aber eben nicht bei „ist doch egal“. Deshalb macht für mich die Hölle Sinn, aber keine Angst.
Also wenn man sich selbst mit Bildern von der Hölle motiviert, aber diese nicht wirklich ernst nimmt, dann ist das in Ordnung. Wenn man anderen Angst macht, ist das nicht nicht mehr in Ordnung. Wenn man Warnungen ausspricht, das Leben ernst zu nehmen, wie die Bibel es tut, dann ist das gut.
Was mir wirklich Angst macht, ist der Glaube vieler Menschen an die Beliebigkeit, also dass es in letzter Konsequenz gar nicht darauf an kommt, ob man gutes oder schlechtes anstrebt. Die reale Hölle, wenn solche Mensch anderen etwas böses tun, einfach, weil sie es können, gibt es jedenfalls. Aber genauso sind dann auch, die Menschen, die nur meinen gutes zu tun und in Wahrheit schlechtes tun, wie die „ernsthaften Prediger der Hölle“.
Grundsätzlich denke ich, dass mehr auf die Lebendigkeit ankommt. Angst machen ist wie beschrieben keine Lösung. Die Fragestellung nach der Hölle ist meine Erachtens deshalb schon falsch, den BDSMler sind, nach meiner Auffassung, eher ein Fall fürs Paradies. Denn wer das Geschenk des Lebens und der Lebendigkeit so konsequent annimmt, nimmt schöne und intensive Erfahrungen mit. Er oder sie tut Menschen etwas gutes. Also: Kommen wir wegen BDSM in Paradis?
Die Gefahr, den Sinn des Lebens zu verfehlen besteht im Rückblick jedenfalls eher in der Oberflächlichkeit mit der wir unsere Lebenszeit oft verschwenden, statt gutes zu tun und zu empfangen.
Vermutlich habt ihr, die ihr diesen Text von mir lest ganz andere Vorstellungen von der Hölle oder einem Weiterleben nach dem Tod und welche Rolle die Sexualität dabei spielt. Falls ihr auch Lust habt, euch darüber auszutauschen, schreibt gern in die Kommentare per Mail. Auch auf den Treffen des Arbeitskreis kommen wir immer wieder auf solche Themen.