Was sagt die Bibel zu BDSM?

Das Konzept BDSM gab es zu biblischer Zeit noch nicht, also kann in den Texten der Bibel auch nichts dazu stehen. Zum Thema Sexualität und auch zu Machtverhältnissen findet sich aber sehr viel. Daraus kann man natürlich Rückschlüsse zu BDSM heute schließen. Diese werden wegen der großen Vielfalt von BDSM-Identitäten und Glaubensformen auch innerhalb des christlichen, sehr unterschiedlich ausfallen. Ihr findet in den Texten auf unserer Seite schon sehr viele individuelle Ansätze.

Ist das Christentum nicht sexualitätsfeindlich?

Ein Beitrag von Stephan

Nein, schon im Judentum wird Sexualität eher positiv gesehen und mit Segen und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Es gab ein wichtige Vorstellung von Reinheit und gute Sexualität fand in der Ehe statt.

Daran hat sich mit dem Christentum nichts geändert. Eine neue Variante der Enthaltsamkeit ist allerdings mit Paulus hinzu gekommen, aber sie war nicht gegen die Sexualität gerichtet.

Später gab es dann eine Vorstellung von Sünde, die aber nicht nur christliche Wurzeln (vergl. Gnosis) und die Sexualität innerhalb der Ehe selbstverständlich nicht negativ gesehen hat. Eher sah man die Menschen als schlecht, was die göttliche Vergebung, noch wichtiger machen sollte. Diese Vorstellungen sind aber weitestgehend überwunden. Eine Geschichte der christlichen Sexualmoral ist sehr komplex und mehrere davon unserer Literaturliste zu finden.

Darf man das?

Nicht nur Christinnen und Christen stellt sich beim Thema BDSM die Frage, ob man „das darf“. Ist das, was Menschen unter dem Label BDSM miteinander machen, juristisch und/oder moralisch erlaubt? Menschen christlichen Glaubens stellt sich dabei die zweite Frage, die nach der moralischen Legimitation, allerdings noch einmal dringlicher, denn die christliche Lehre ist unter anderem auch eine Morallehre mit genauen Vorstellungen darüber, wie Menschen gut miteinander umgehen sollen.

Zunächst zur ersten Frage. Juristisch ist BDSM unbedenklich – solange alles, was geschieht, einvernehmlich geschieht, und dabei keine unvernünftigen gesundheitlichen Risiken eingegangen werden. Was vernünftig und was unvernünftig ist, ist natürlich nicht einfach zu definieren – vielleicht lässt es sich am einfachsten an einem Beispiel erläutern. Fahrradfahren ohne Helm birgt gesundheitliche Risiken. Der Gesetzgeber schätzt diese aber als nicht so schwerwiegend ein, dass er Fahrradfahren ohne Helm verbieten würde. Beim Motorradfahren sieht er das anders, und so ist hier der Helm vorgeschrieben und Fahren ohne Helm verboten. Nun hat der Gesetzgeber nicht alle Aspekte erotischer und sexueller Interaktion gleichermaßen detailverliebt durchdekliniert wie das Verhalten im Straßenverkehr. Hier sind also die Beteiligten selbst aufgefordert, ihren gesunden Menschenverstand einzusetzen, um die gesundheitlichen Risiken gering zu halten. Solange sie das beachten und dabei einvernehmlich miteinander umgehen, ist BDSM juristisch unbedenklich.

Ist BDSM aber auch mit christlichen moralischen Wertvorstellungen vereinbar? Das halten wir bei der „richtigen Ausübung“ von BDSM definitiv für gegeben. Ein liebevoller Umgang im Kontext einer BDSM-Beziehung tut allen Beteiligten gut. Ein*e verantwortungsvolle*r Dom achtet mit großer Selbstverständlichkeit auf das Wohlergehen des/der Sub. Umgekehrt steht für den/die Sub idealerweise nicht allein das eigene Erleben im Mittelpunkt. Stets sollte die andere Seite „mitgedacht“ werden. Wenn man dann sieht, dass man nicht nur selber seine Freude an der Interaktion hatte, sondern auch dem anderen etwas geben konnte, ist die Freude doppelt groß.

Natürlich kann BDSM auch lieblos praktiziert werden, wobei dann das eigene Erleben im Mittelpunkt steht und auf das Erleben des Anderen keine Rücksicht genommen wird. Aber das gilt für jede Form erotischer oder sexueller Interaktion. Auch ehelicher Sex kann lieblos und rücksichtslos erfolgen. Es geht also immer um die Liebe. Wenn die Frage zum Thema BDSM lautet, ob „man das darf“, dann lautet die Antwort wie bei allem anderen Verhalten gegenüber anderen Menschen: Liebe, und tu was du willst. OK, den Satz haben wir jetzt bei Augustinus geklaut. Darf man das? Bestimmt…

Wie groß ist der Arbeitskreis?

Eine genaue Anzahl der Mitglieder können wir nicht nennen, weil wir kein Verein sind, in den man formal ein oder austreten muss. Wir haben meist so zehn bis zwölf Aktive, die bei den meisten Treffen dabei sind und regelmäßig mitarbeiten. Daneben gibt es noch viele Interessierte, die von Zeit zu Zeit mal mitarbeiten. Im Laufe der Jahre konnten sich so einige hundert Menschen begegnen und in einen gemeinsamen Dialog treten, den die meisten aber auch wieder beenden, wenn das Thema aus irgendeinem Grund durch ist.

Markus (Raum Berlin)

Von Markus gibt es auch einen Bericht zum Kirchentag 2023.

Als ich acht Jahre alt war, schaute ich mir im Kreis meiner Familie einen Fernsehfilm an. Wüstenräuber überfielen eine Karawane und legten die erbeuteten Frauen in Ketten. Die Gefühlsexplosion, die diese Bilder in mir auslöste, stellte alles in den Schatten, was ich bis dahin empfunden hatte. Ich lief ins Bad, weg von den Anderen. Bloß weg von den Anderen. Mit 8 war ich überzeugt, dass ich herausgeworfen würde aus der menschlichen Gemeinschaft, wenn jemand merkt, was da in mir tobt. Das war 1979 in einem schwäbischen Dorf. Google, mit all seinen Möglichkeiten, ging erst 18 Jahre später online.

Dieses „Bloß weg von den Anderen“ blieb mein innerer Begleiter. Über dreieinhalb Jahrzehnte habe ich das Versteckspiel und damit meine Maske perfektioniert. War nie wirklich in Beziehung gegangen. Zu monströs erschien mir das, was in meinem Inneren lauerte. Und das keinesfalls entdeckt werden durfte. Selbst Menschen, die glaubten mir nahe zu stehen, kannten mich nicht wirklich.

Mit meinem Christwerden 2003 verschärfte sich mein innerer Konflikt. Und anders als an vielen anderen meiner Baustellen hat Gott mir für mein pervers-sein keine Veränderung geschenkt. Trotz vieler Jahre des Gebets.

Endlich, 2013 gab ich es auf, ein Anderer werden zu wollen. „Normal“ sein zu wollen. Zerbrach. Ließ mich von Gott aus meiner Sackgasse herauslieben. Veränderte mein Leben grundlegend. Erzählte meinen Freunden die Wahrheit über mich und legte so nach und nach den Sumpf aus Lügen und Geheimnissen in meinem Leben trocken.

10 Jahre sind seither vergangen. Bezüglich vieler Aspekte bin ich inzwischen zu dem Mann geworden, den ich mir damals als Mentor gewünscht hätte. Ton, geformt von Gottes Hand. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist die Bereitschaft, Christi Leib zu dienen. Übergemeindlich, ökomenisch. Wenn Du Dich also allein mit Dir in Deinem so&so-anders-sein fühlst, sprich mich an: markus@bdsm-und-christsein. Du findest in mir einen Glaubenspraktiker mit reichlich reinigendem Zerbruch im Leben. Und voll Dankbarkeit für die tiefen Beziehungen, die so ermöglicht werden.

Die gute Nachricht des Evangeliums gilt für Dich&Mich. 100%. Jesus sagt „Es ist vollbracht.“ (Johannes 19,30)

Auf unserem Bundestreffen im Februar 24 führte uns Andreas in die Erarbeitung von Psalmen ein. Das hier ist meiner:

Herr Jesus, Du bist mein Hirte.
Und weil Du mein Hirte bist, wird mir nichts mangeln.
Dein Vater, der durch Dich auch mein Vater ist,
hat mich Dir gegeben.
Niemand kann mich Dir rauben.
Niemand kann mich dem Vater rauben.
Der Vater ist größer als alle und
Niemand kann uns aus der Hand des Vaters rauben.
Du fügst uns zusammen als Deine Herde, 
Deine Geliebten, Deine Braut, Deinen Leib.
Du machst neu, was zerbrochen war
und führst uns in Deine Ebenbildlichkeit.
Stellst uns wieder her, so dass wir Dir ähnlicher werden.
Setzt uns zum Segen füreinander und für Andere.
Machst uns zu Licht und Salz in einer Welt,
die Dich so dringend braucht.
Du kennst uns durch und durch – jeden Einzelnen.
Du liebst uns so wie wir sind, obwohl
wir sind wie wir sind – und Du liebst jeden Einzelnen.
Du warst unser Freund, als wir noch Deine Feinde waren. 
Du bist unser Freund auch wenn wir uns selbst Feinde sind.
Ohne Dich kann ich nichts tun. 
Ohne Dich will ich nichts tun. 
Du bist mein Leben, denn Du bist 
der Weg und die Wahrheit und das Leben. 
Es ist Deine Gerechtigkeit, die mir genügt. 
So gut, wenn Dein Wille geschieht. 
Weil du es so willst, werden mir Gutes und
Barmherzigkeit folgen mein Leben lang und 
ich werde immer bei Dir sein.

Literaturvorschläge zu BDSM und Christsein

Alternative Literaturverzeichnis

Die hier von Stephan vorgestellte Literatur ist ein Überblick, was er so gelesen hat, relevant findet und warum. Es gibt alternativ ein Literaturverzeichnis. Dies hat Stephan mit dem Literaturverwaltungsprogramm Zotero erstellt. Dort gibt es mehr Einträge, als in dieser Auswahl und man sollte daher nach Schlagworten und Kathegorien (Ebenen) filtern, um zu finden, was man sucht.

Bücher über BDSM aus christlicher Sicht

Im Dunkel der Sexualität

Schreiber, Gerhard. Im Dunkel Der Sexualität: Sexualität Und Gewalt Aus Sexualethischer Perspektive. Berlin ; Boston: De Gruyter, 2022.

Stephan meint dazu: Das Buch ist sehr wissenschaftlich und sehr umfangreich. Aber es lohnt sich, weil der Autor wirklich umfassend über Sexualität und Gewalt aufklärt. Dabei schreibt er über BDSM um die Genzen des Einvernehmens zu veranschaulichen und liefert dabei eine brauchbare Ethik des BDSM. Leider im Kontext sexualisierter Gewalt, mit der BDSM eigentlich nichts zu tun hat. Er definiert in den ersten Kapiteln alle Grundbegriffe. Deshalb kann man das Kapitel zu BDSM leider nicht allein lesen. Er definiert Gewalt anders, als wir das im Arbeitskreis meist tun. Strukturelle Gewalt gehört für ihn zum Beispiel dazu. Diese andere Definition ist für seine wissenschaftliche Arbeit notwendig. Das Buch vermittelt ausdrücklich eine christlich, theologische Sicht und kann dabei aber auf eine philosophische und juristische Sicht nicht verzichten.

Unverschämt – schön

Dabrock, Peter, Renate Augstein, Cornelia Helfferich, Stefanie Schardien, and Uwe Sielert. Unverschämt - schön: Sexualethik: evangelisch und lebensnah. 1. Auflage. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2015.

Stephan meint dazu: Das Buch enthält zwar „nur“ ein Kapitel zu BDSM ist aber relevant, weil es aktuell und ausgewogen die wichtigsten Themenbereiche der Sexualität offen benennt und evangelische Lösungen sucht.

Es war als Versuch gedacht den aktuellen Stand in der EKD wieder zu geben. Der Inhalt hätte wohl mal EKD-Papier werden sollen. Jedenfalls waren die Autoren Mitglieder einer entsprechenden Kommission, die leider ihre Arbeit nicht bebenden konnte und das Ergebnis trotzdem als Buch veröffentlicht hat.

Leider sieht sich das Buch als nicht wissenschaftlich und verzichtete deshalb auf entsprechende Anmerkungen und Belege, aber auf der anderen Seite benutzt es unnötig viele anspruchsvolle Wörter. Mir scheinen einige Behauptungen unbegründet. Die Gefahren im Bezug auf BDSM sollte man klar benennen oder lassen. Schützen können sie Menschen nur wenn sie konkret beschrieben werden.

Verschwiegene und abgelehnte Formen der Sexualität

Geest, Hans van der. Verschwiegene und abgelehnte Formen der Sexualität: eine christliche Sicht. 2. Aufl. Zollikerberg: Selbstverl, 1992.

Stephan meint dazu: Nicht mehr regulär lieferbar. Schweizer Theologe und sehr guter Seelsorger, der sich auf Grund der eignen Homosexualität, sehr intensiv mit den Spielarten der Sexualität beschäftigt hat. Das Buch enthält ein Kapitel über BDSM, das sehr einfühlsam ist und auch mögliche theologische Interpretation enthält. Man merkt der Autor hat seine Informationen über BDSM aus tiefen seelsorgerischen Gesprächen.

Die heilige Qual, Spiritualität und Sadomasochismus

Kaiser, Peter. Heilige Qual und die Lust am Schmerz: Spiritualität und Sadomasochismus. Nordhausen: Verlag Traugott Bautz GmbH, 2016.

Stephan meint dazu: Ein Buch mit sehr vielen Informationen und „Stoff“ zu unserem Thema leider etwas schwer zu lesen, weil nicht klar wird, welches Ziel der Autor mit dem Buch hat.

Die Umkehrung – zwischen Sexualität, Gott und Psychologie

Die Umkehrung - zwischen Sexualität, Gott und Psychologie Roman über den Niedergang einer Verdrängung. Orig.-Ausg., 1. Aufl. Berlin: Frieling, 2000.

Rezension Arne Hoffmann vom 16. November 2019:
Ein komplexes, tiefgehendes und potentiell hilfreiches Werk. Als ich Joe Wagners Roman „Die Umkehrung“ gelesen habe, musste ich daran denken, wie schade es ist, dass SM-Erzählungen der Gegenwart fast ausschließlich entweder in der Form von Erotika oder in der Form von Schmonzetten a la „Shades of Grey“ im Mainstream angekommen sind. Allein weil ihre Zielgruppe so klein ist, bleibt tiefergehender SM-Literatur bis heute die Anerkennung versagt, die andere Bücher zum Thema menschliche Sexualität im Kanon lesenswerter Werke erhalten.

So steht Joe Wagners Buch beispielsweise Martin Walsers vielgepriesener und zweimal verfilmter Novelle „Ein fliehendes Pferd“ in nichts nach. Während sich Walser mit den Untiefen normaler Partnerschaften beschäftigt, behandelt Wagner die Seelenqualen des Studenten Harald und seine oft scheiternden Bemühungen, auch nur mit seinem engsten Umfeld zurechtzukommen, weil er sexuelle Neigungen besitzt, die er selbst als problematisch empfindet. Dabei wird die innere Zerrissenheit des Protagonisten ebenso eindringlich geschildert, wie die Figurenpsychologie der anderen Charaktere stimmig erscheint und die sozialen Prozesse, die sich hier abspielen, höchst anschaulich sind.

Von erheblichem Gewicht sind die Fragen, die dieser Roman stellvertretend durch seine Hauptfigur aufwirft. Etwa: Woher kommen diese Gelüste? Muss ich sie überwinden? Sind sie „böse“? Kann ich mich mit ihnen anfreunden, mit ihnen umzugehen lernen? Auf welche Weise? Zahlreiche Leserinnen und Leser, deren Neigung nicht mit denen der (vielleicht auch nur scheinbaren) Mehrheit übereinstimmen und die sich ohne die Geborgenheit einer Subkultur, die sie auffängt, als „Freaks“ fühlen, dürften sich in den Gedankengängen Haralds wiederfinden.

Damit knüpft Wagners Roman nicht nur kongenial an literarische Werke mit ähnlichen Themen an (etwa Musils „Verwirrungen des Zöglings Törleß“ und Wedekinds „Frühlingserwachen“). Er macht Harald dadurch, dass dieser zuerst in seiner christlichen Herkunft und dann in seinem Psychologiestudium vergebens nach einem Schlüssel zum Ende seines Leidens sucht, zum Repräsentanten der Geworfenheit des heutigen Menschen an sich: Die Religion als Hinterlassenschaft aus vormodernen Zeiten bietet ihm ebenso wenig Trost und Hilfe wie die Psychologie als neue Heilslehre und Philosophie, die in der Moderne entstanden ist.

Das ist indes kein reiner Kunstgriff: Wie man der Autorenvita entnehmen kann, ist Joe Wagner selbst Sozialpädagoge mit kirchlichem Hintergrund (und die wohl meisten Erstlingsromane sind ohnehin stark autobiographisch geprägt). Dem Roman wird so auch eine Liste weiterführender Literatur nachgefügt. Das bietet dem interessierten Leser einen zusätzlichen Nutzen und vertieft die Gewissheit, dass der Autor bei diesen Themen weiß, wovon er spricht.

Man kann „Die Umkehrung“ vor allem jenen Menschen empfehlen, die selbst mit ihren Neigungen hadern: Schließlich gelingt es Harald, aus seinem Gedankenlabyrinth zu entkommen und eine authentische Sexualität zu entwickeln, zu der er stehen kann. Dass und wie er das schafft, kann vielen Lesern Mut geben. Aber auch für jene, die sich dafür interessieren, was in Menschen vorgeht, die abweichende sexuelle Bedürfnisse haben, dürfte die Lektüre dieses Romans ein klarer Gewinn sein.

Selbstkonzept

Selbstkonzept. Norderstedt: Books on Demand, 2013.

Bücher zur BDSM Ethik

Nicht normal ist ganz normal

“Nicht normal” ist ganz normal. 1. Auflage, Erschien am 27.4.2023. Unterdießen: wtp-verlag, 2023.

Stephan meint dazu: Das Buch beschreibt anschaulich, warum bei so viel scheinbarer Freizügigkeit, BDSM immer noch oft missverstanden wird. In dem Buch geht es dabei nicht nur um BDSM, sondern auch viele anderes aus der Welt der Sexualität, was so als „nicht normal“ betitelt wird.

Das Gespräch der Geschlechter

Garcia, Manon. Das Gespräch der Geschlechter: eine Philosophie der Zustimmung. Translated by Andrea Hemminger. Erste Auflage, Deutsche Erstausgabe. Berlin: Suhrkamp, 2023.

Stephan meint dazu: Die Idee des Buches und seine Lösung finde ich sehr gut. Die Autorin hinterfragt kritisch das Prinzip der Zustimmung in der Sexualität und zeigt seine Grenzen auf. Ausgangspunkt ist dabei eine Betrachtung der #MeToo-Bewegung und der möglichen Missverständnisse, Verletzungen und verschiedenen Formen von Gewalt. Sie beschreibt sehr anschaulich die Problematik, eben nicht nur die Gefahr durch Fremde, sondern auch die oft tief gehenden Verletzungen durch Menschen, denen man meinte vertrauen zu können.

Gewalt gegen Männer wird dabei leider teilweise ignoriert. Es stimmt ja, dass die allermeisten Opfer Frauen sind, aber das ist Teil des Problems und Männer als Opfer dürfen nicht einfach übergangen werden, als gäbe es sie nicht. Auch das ist ein Tabu in unserer Kultur und ein Problem für die Opfer.

Im zweiten Abschnitt geht es ausführlich um BDSM. Für sie ist BDSM vor allem Handeln nach einem Vertrag. Diese Einschätzung teile ich so nicht. Es gibt sie natürlich die BDSM Verträge und Menschen, die BDSM genau so leben. Aber für mich ist BDSM ein Dialog auf Augenhöhe, der mit Macht und Ohnmacht nur spielt.

Der Lösungsansatz der Autorin kommt dann im dritten Teil: Sexualität als ein Gespräch der Geschlechter zu verstehen. Für mich ist das die Lösung, die ich beim BDSM schon gefunden habe. Erotisierung der Gleichheit und nicht der Hirarchie, wie es in diesem Buch beschrieben wird. Die Aufteilung in aktiv und passiv und die scheinbare Hirarchie sind nur notwendig, damit die Dynamik überhaupt da ist, wie im Paartanz. Da muss auch eine Person führen und die andere folgen. Die Rollen können frei gewählt und gewechselt werden. Man bildet als Paar eine Einheit der Körper in der Kommunikation. Das scheint die Autorin über BDSM noch nicht zu wissen.

Im dritten Teil kommt auch das vom BDSM „geerbte“ System der safe words zur Sprache (Formulierung von Seite 267). Auch hier habe ich den Eindruck andere Erfahrungen gemacht zu haben. Das „safe word“ verhindert vor allem Missverständnisse. Wenn man zum Beispiel im Flow ist und wichtige Signale übersieht oder aus ganz unterschiedlichen Hintergründen kommt. Es ist ganz sicher allen zu empfehlen und auch mehr als ein Vertrag. In der normalen Session kommt es nicht vor, weil man schon viel früher merkt, das etwas nicht stimmt oder nicht funktioniert wie geplant.

Ich denke hierrin ist die sexpositive Kultur auch außerhalb von BDSM dabei zu lernen. Die Autorin zeigt in ihrem Buch selbst, mit vielen Beispielen und Belegen, wie wichtig es ist zu sprechen und voneinander zu lernen.

Zu den Zahlen über BDSM: Wenn man den hetronormativen Bereich untersuchen würde und das komerzielle nicht heraus nimmt, wie es die telefonische Umfrage in Australien (ab Seite 152) tut, würde auch hier der meiste Geschechtsverkehr auf Grund eines Vertrages stattfinden: Ehevertrag oder Prostitutionsvereinbarung. Aber das verkennt die romatischen Abitionen, die wir in unseren Beziehungen leben.

Das BDSM in unserer patriachalen Kultur, von dieser beeinflusst ist und sich das in den Zahlen wiederspiegelt, kann man ihm nicht vorwerfen. Immerhin gibt es im BDSM starke und aktive Frauen und daher eine Wahl aller, die eigenen Rolle zu gestalten.

An dieser Stelle, nicht weil es das Buch betrifft, sondern weil ich hier so von BDSM schwärme, von mir der Hinweis: Es gibt auch Menschen die BDSM missbrauchen. Das gehört dann zum ersten Teil des Buches. Menschen die bewusst manipulieren und die Idee des BDSM nur benutzen, um ihre egoistischen Ziele zu verfolgen.

Die neue Liebesordnung

Illouz, Eva. Die neue Liebesordnung: Frauen, Männer und Shades of Grey. Translated by Michael Adrian. Originalausgabe, 2. Auflage. edition suhrkamp digital. Berlin: Suhrkamp, 2022.

BDSM aus soziologischer Sicht. Kommentar von Stephan: Die Autorin gehört zu den wenigen, die gesellschaftliche Phänomene wie BDSM wirklich universell durchdenken können. Von Hause aus ist sie Soziologin und lehrt als Professorin in Israel. Sie hat diverse weitere Bücher über Sexualität und Beziehungen geschrieben. Am Beispiel der BDSM-Triologie von Shades of Grey wird der soziokulturellen Hintergrund von BDSM beleuchtet.

Vögeln ist schön

Vögeln ist schön Die Sexrevolte von 1968 und was von ihr bleibt. 1. Aufl. Berlin: Rotbuch Verlag, 2014.

Beschreibung des Verlages: Abhängig vom politischen Klima entstehen, vergehen und wiederholen sich bestimmte Vorstellungen von Sexualität. Ulrike Heider ist diesem Phänomen nachgegangen. Mit oft scharfer Kritik und der Würze persönlicher Erinnerungen schickt sie den Leser auf eine ideologische Zeitreise von den 1950er Jahren bis heute. Drastisch schildert sie Sexualverbote, Zensur und Doppelmoral in der Ära des kalten Krieges. Mit Vergnügen lässt sie die Sexuelle Revolution aufleben, berichtet von Sitten-Skandalen an Gymnasien, von der Freien Liebe revoltierender Studenten, von Kommune 1 und 2. Auch die Klitoris als Schlüssel zum Reich der Zärtlichkeit kommt zu ihrem historischen Recht, ebenso wie die Kampagnen gegen den „Schwanzfick“ und jene Weiberfreunde, die sich „Softies“ nannten.

Als Kanzler Kohl die „geistig moralische Wende“ ausrief, war der kurze Sommer des „Make Love not War“ vorbei. Die „Tränen des Eros“ begannen zu fließen, aus Hedonisten wurden Libertins. Sie rehabilitierten Pornographie und Bordellerotik, propagierten abgründige Leidenschaften, Geschlechterkämpfe und ein pessimistisches Bild von Sexualität, das heute Mainstream ist. Macht, Ohmacht und Schmerz gehören demnach zur Lust wie Krieg zum Frieden oder der Herr zum Knecht. Weder Liberale noch Progressive, weder Gender-Feministinnen noch Queerbewegte zweifeln daran, während traditioneller Sexualkonservatismus ungehindert wiederkehrt.

Über die Autorin: Ulrike Heider wuchs in Frankfurt/Main auf, engagierte sich dort in der antiautoritären Protestbewegung und promovierte 1978 als Politologin. Seit 1988 lebt sie als freie Schriftstellerin in New York und Berlin. Sie schrieb zahlreiche Bücher, Essays und Radiosendungen zur Schüler- und Studentenbewegung, über Anarchismus, afroamerikanische Politik und Sexualität.

Stephan meint dazu: Das Buch enthält eine kritische Gegenmeinung zu dem von Eva Illouz, auf das die Autorin sich im Kapitel über BDSM: „Der Siegeszug des Sadomasochismus“ bezieht. Frau Heider lehnt BDSM ab, weil er Leistungsdenken und Konsum mit sich bringt und vor allem weil er dazu dienen kann alte Verhaltensweisen des Patriarchats zu erhalten, die sie als Feministin überwinden möchte.

Nach meiner Erfahrung kann BDSM sowohl gebraucht werden um alte Rollenmuster zu überwinden, als auch um solche zu konservieren. Die Frage ist weniger was man macht, sondern wie man es macht. Bei Frau Illouz ist die Verhandlungsmoral ein Fortschritt und alte Rollenmuster werden auch überwunden, wenn man mit ihnen spielt. So zeigt sich an beiden Büchern, wie vielfältig BDSM gesehen werden kann und dass sich jeder sein eigenes Bild machen sollte.

Bücher über BDSM

Das SM-Handbuch

Grimme, Matthias T. J. Das SM-Handbuch. Komplett überarbeitete und ergänzte Ausgabe, 14. Auflage (aktualisiert) 78. bis 80. Tsd. Schlagzeilen Black Label. Hamburg: Charon-Verlag Grimme KG, 2018.

Das Bondage-Handbuch.

Grimme, Matthias T. J. Das Bondage-Handbuch: Anleitung zum einvernehmlichen Fesseln. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Ausgabe, 16. Ausgabe, 77.-80. Tausend. Schlagzeilen Black Label. Hamburg: Charon-Verlag Grimme KG, 2018.

Die Wahl der Qual

Passig, Kathrin, and Ira Strübel. Die Wahl der Qual: Handbuch für Sadomasochisten und solche, die es werden wollen. 2., Überarb. Neuausg. Rororo Sachbuch 62408. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt-Taschenbuch-Verl, 2009.

Kommentar von Stephan: Umfassendes und unterhaltsam geschriebenes Einsteigerbuch. Mit vielen praktischen Tipps.

Lust an der Unterwerfung

Geißler, Sina-Aline. Lust an der Unterwerfung: Frauen bekennen sich zum Masochismus. Rastatt: Pabel-Moewig, 2004.

Stephan meint dazu: Wichtiges Buch, weil schon 1990 populär.

Bücher über Sexualität aus christlicher Sicht

Unzensiert

Antonia meint dazu: In diesem Buch räumt Simone Paganini, Professor für Biblische Theologie an der RWTH-Aachen auf liebe- und humorvolle Art mit Vorurteilen gegenüber Sexualität in der Bibel auf. 

Feinsinnig und warmherzig lotst Paganini uns anhand vieler Beispiele durch die Bibel und zeigt uns, wie vielfältig Liebe und Sex in der Bibel tatsächlich dargestellt werden, ohne aber über die zahlreichen Gewaltschilderungen zu schweigen.  

Dieses Buch möchte ich allen ans Herz legen, die an der Vereinbarkeit vom Spaß an Sex und ihrem Glauben zweifeln- oder denen, die eine unterhaltsame und doch lehrreiche Lektüre mit vielen „Aha!“- Momenten suchen. 

Ehe, Liebe und Sexualität im Christentum

Angenendt, Arnold. Ehe, Liebe Und Sexualität Im Christentum: Von Den Anfängen Bis Heute. Münster: Aschendorff Verlag, 2015.

Beschreibung: Die heutige Vorstellung von partnerschaftlicher und ‚romantischer‘ Liebe ist historisch ein Spätprodukt. Der mit Antike und Bibel einsetzende Überblick zeigt, daß die Geschichte der praktizierten Sexualität durchaus von Liebe zeugt, aber zugleich voller Zwänge und Grausamkeiten ist.

Das Christentum sah sich seit seiner Entstehung praktisch wie reflexiv herausgefordert. Es prägte gleichermaßen die Vorstellung von gleichberechtigter Partnerschaft wie auch von Lustfeindlichkeit. Inzwischen werden die kirchlichen Aussagen zur Sexualität breit kritisiert oder gänzlich zurückgewiesen.

Das vorliegende Buch stellt alle kontroversen Aspekte um Ehe, Liebe und Sexualität aus historischer Perspektive dar – mit teilweise verblüffenden Einblicken: Die heute zum Weltexportartikel gewordene romantische Liebe ist ohne Christentum nicht denkbar.

Die Ehe – Ein riskantes Sakramet

Die Ehe Ein riskantes Sakrament. München: Kösel-Verlag, 2016.

Stephan meint dazu: Das Buch beschreibt sehr anschaulich die Entwicklung, die die Vorstellungen von der Ehe im Laufe der Kirchengeschichte gemacht hat. Wir denken oft, das diese Vorstellung von der Bibel vorgegeben immer gleich geblieben sei. Hier kann man sehr anschaulich und unterhaltsam lernen, wie unsere heutigen Vorstellungen sich entwickelt haben. Die Ehe ist in der christlichen Sexualethik immer noch Ausgangspunkt, auch wenn es um Fragen von BDSM geht. Deshalb ist das Buch hier aufgeführt.

Beschreibung des Verlages:
Die Lust am Heiraten ist groß. Obwohl fast jede zweite Ehe in Deutschland wieder geschieden wird, treten fast jedes Jahr rund 40.000 Paare vor den Altar. Christiane Florin will den Leser auf den neuesten Stand dieser Diskussion bringen. Warum ist die Ehe für die katholische Kirche so wichtig? Warum sind Veränderungen gerade an diesem Sakrament so schwierig? Was hilft Menschen? Und was der Kirche? Das Buch bietet plausible Antworten auf diese Fragen und bringt Licht in eine zerfahrene Debatte. Die Geschichte einer heiklen Lebensform. Mit den neuesten Erkenntnissen der Familiensynode im Vatikan.

Bücher über Sexualität mit BDSM Bezug

Schlampen mit Moral

Hardy, Janet W. Schlampen mit Moral: Warum es an der Zeit ist, Sex und Liebe neu zu denken - wie Polyamorie, offene Beziehungen und andere Abenteuer gelingen können. München: mvg Verlag, 2020.

Stephan meint dazu: Schlampen mit Moral ist inzwischen ein Klassiker, der schon vor 20 Jahren geschieben wurde im Bezug auf die neue Sicht auf Beziehungen und Moral. Es geht um die vielen Beziehungsmodelle neben der Monogamie und das Einvernehmen das wichtigste für moralisches Handeln ist.

Sexpositiv

Roidinger, Beatrix, and Barbara Zuschnig. Sexpositiv: Intimität und Beziehung neu verhandelt. Wien: Goldegg Verlag, 2021.

Kommentar von Stephan: Das Buch behandelt BDSM neben vielen anderen sexpositiven Themen, wie zum Beispiel Tantra. Es wird ein sexpositives Netzwerk beschrieben, in dem Regeln zur Selbstfindung und Einvernehmen die Grundlage bilden. Besonders wertvoll finde ich das Buch durch die praktischen Beispiele aus der Beratungspraxis der Autorinnen in Wien.

Sie hat Bock

Lewina, Katja. Sie hat Bock. Fünfte Auflage. Köln: DuMont, 2021.

Lewina, Katja. Bock: Männer und Sex. Köln: DuMont, 2022.

Stephan meint dazu: Die beiden Bücher von Frau Lewina sind ein bemerkenswerter Ausflug in die Welt der Sexualität. Im ersten geht es vor allem um Frauen und im zweiten um Männer. Die Autorin berichtet offen von ihren eigenen Erfahrungen und stellt diese auch in einen größeren Zusammenhang. In beiden gibt es auch einen kleinen Ausflug in die Welt des BDSM. Im ersten eher negativ, im zweiten eher geheimnisvoll. Beides gibt vermutlich den Stand vieler Menschen wieder. Sie bemühen sich nicht zu diskriminieren, tun sich mit dem Thema aber immer noch schwer.