Autor: Antonia
Bibelarbeit
Bibelarbeit Bundestreffen
Die Geschichte:
Kaum sind Jesus und seine Jünger mit dem Passahmahl fertig, fangen die Jünger an, miteinander wettzueifern. Die beiden Polterköpfe („Boanerges“, Sturmsöhne, Mk.3,17) Jakobus und Johannes wollen gerne, dass sie im Reich Gottes auch etwas zu sagen haben, und bitten Jesus, dass er sie beide direkt an seine Seite setzt. Die beiden Söhne des Zebedäus waren ja schließlich mit unter den ersten, die Jesus sich als Jünger berief. Ein ganz normales Gespräch zwischen Chef und seinen eifrigen Angestellten. Doch Jesus versagt den beiden diesen Wunsch: Die Plätze zu seiner Rechten und seiner Linken sind reserviert. Das irritiert nun auch die anderen Jünger, die zwar die Zähne nicht auseinander bekommen haben, die aber auch im Stillen auf diese Beförderung gehofft haben.
In unserer Bibelarbeit auf dem Bundestreffen haben wir uns in erster Linie mit Jesu Erklärung beschäftigt:
„Ihr wisst, dass die, welche als Regenten der Nationen gelten, sie beherrschen und ihre Großen Gewalt gegen sie üben. So aber ist es nicht unter euch; sondern wer unter euch groß werden will, soll euer Diener sein; und wer von euch der Erste sein will, soll aller Sklave sein. Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele.“ (Mk. 10,42-45 ELB)
Unsere Auslegung:
Die Nationen sind die Römer: Hier gilt besonders aus Sicht der unterdrückten Judäer das Recht des Stärkeren, der mit seinen Untertanen verfährt, wie es ihm passt. Ohne Rücksicht auf Verluste kann der Römer seine Untertanen ausnutzen, sie verschleppen und ihr Eigentum an sich nehmen. Das steht jedoch in krassem Kontrast zu dem, wie Jesu Menschenbild aussieht: die, die ihm anhängen, müssen Führung als Dienst verstehen. Ein Mehr an Macht geht Hand in Hand mit der Verantwortung und Fürsorge für diejenigen, die weniger davon haben.
Er treibt dies noch auf die Spitze: Selbst er, der Mensch, der Tod und Teufel übersteht, der uns alle mit einem Fingerschnipsen zugrunde richten könnte, nutzt dies nicht gegen uns. Es wäre ihm ein Leichtes zu sagen „Es werde Nicht“ und damit unsere gesamte Existenz vor die Hunde gehen zu lassen. Nein, er nutzt seine grenzenlose Macht nicht, um uns zu erpressen oder uns zu schaden. Doch wie so oft (besonders bei Markus) entscheidet sich Jesus, die Erwartungen der Menschen zu nehmen und das genaue Gegenteil zu tun.
Jesus will unser Diener sein.
Im Dienst für uns wird Gott zum Menschen, nimmt sein Kreuz auf und geht sehenden Auges in einen Foltertod, um uns zu retten. Das nimmt Gott alles auf sich, um seine geliebten Menschen zu befreien. Führung als Dienst zu verstehen, ist ein hoher Anspruch. Jesus lebt dieses Konzept vor. Seine Macht oder Autorität erwuchs aus dem Dienst an seinen Mitmenschen, den Ärmsten. Jesus bittet uns: „Nehmt mich zum Vorbild! Ihr sollt eure Macht so nutzen, wie ich meine. Deine Macht ist dafür da, dich um die weniger Mächtigen zu kümmern.“ Jesus gibt sein Leben als Lösegeld für viele. In unserem Gespräch über die Perikope bot uns das Anlass zur Frage, ob wir zu einem Dienst bis hin zum Tod bereit wären. Wir waren der Meinung, dass das, was uns daran hindert, weniger die Angst vor dem Tod, mit der Erlösung durch Christus vor Augen, sondern vor dem Akt des Sterbens ist.
Und was hat das jetzt mit BDSM zu tun?
In den meisten Beziehungen (romantische, freundschaftliche, berufliche, familiäre, sexuelle…), die wir zu unseren Mitmenschen führen, gibt es ein mehr oder weniger ausgeprägtes Machtgefälle – in einer BDSM-Beziehung kommt noch das Machtgefälle dazu, dass wir mit unseren Partner*innen absprechen.
„Aber ICH bediene meinen Dom doch, wenn wir spielen, lese ihm jeden Wunsch von den Lippen/Augen/anderen Körperteilen ab, und ich habe trotzdem keine Macht“, könnte man aus der Sub-Perspektive anmerken. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit.
Wir würden ja kaum einer Session so freudig entgegensehen, wenn wir lediglich die Fantasien und Fetische unserer Beziehungsmenschen ertragen würden. Idealerweise ist ja jeder Schlag, jede Fessel, jeder Knoten dazu da, dass alle Beteiligten voll auf ihre Kosten kommen. Ja, wer unten spielt, be-dient gerne mal die Person, die oben spielt. Aber auch mein*e Dom dient mir. Auch Dom will doch, dass Sub mit vollem Elan dabei ist und man mehr als einmal miteinander spielen kann. Wir hoffen darauf, dass wir und unsere Wünsche genauso gesehen werden, wie wir die der anderen erkennen.
Wir glauben, dass es jeder Beziehung gut tut, unsere Mitmenschen in den Fokus zu nehmen und auf ihre Bedürfnisse zu hören und ihnen zu dienen.
Die dunkle Seite der Macht
Natürlich scheitern wir Menschen gerne daran, in Jesu Nachfolge zu treten. Wir kennen vielleicht (oder sind sogar!) die eine Person in der Gemeinde, die alle Aufgaben an sich reißt, weil sie dadurch Einfluss bekommt. Das Familienoberhaupt, das das Geld nach Hause bringt und deswegen über den Rest der Familie entscheiden will. Die Menschen, die Macht wollen, und bereit sind, alles dafür zu tun, sie zu bekommen – wenn man da hin und wieder was Gutes tun muss, wird das notfalls auch in Kauf genommen. Auch kirchliche Würdenträger haben nicht immer nur das Wohl ihrer Mitmenschen im Blick. Die Geschichte des Papsttums als „Servus Servorum Dei“ (Diener der Diener Gottes) ist voll von Männern, die unter dem Deckmantel des Dienstes an den Menschen und an Gott furchtbare Willkür haben walten lassen. Nicht dass der Eindruck entstünde, dass Machtmisbrauch auf den Papst allein zutrifft. Im Protestantismus, besonders in der evangelikalen Spielart besteht die Gefahr, dass Pastor*innen ihre Führungsrolle ausreizen. Jede Leitung, die sich als das letzte menschliche Absolute versteht, kann sich nennen wie sie will, steht in der Gefahr Macht gegen Machtmissbrauch auszutauschen. Das ist also absolut kein Problem einer einzigen Kirche, Religion oder Weltanschauung. Das ist ein universelles Problem.
Wir als Dienende müssen hinterfragen, was unsere Motivation zu dienen ist. Geht es mir um das Wohl der anderen, oder darum, Macht zu erlangen? Geht es mir als Sub tatsächlich um Dom, oder vielmehr darum, Aufmerksamkeit zu bekommen? Denn wenn eigennützige Motive im Vordergrund stehen, ist es kein aufrichtiger Dienst- und ein gescheiterter Versuch der Christusnachfolge.
tl;dr:
Eine Bibelarbeit zu Mk. 10,42-45. Jesus nachzufolgen erfordert, dass wir zu Diener*innen werden, so wie er auch zu unserem Diener geworden ist. Das betrifft alle Menschen, ob Angestellte oder Führungsetage, Sub oder Dom, Pfarrer*in oder Gemeindeglied- Macht bedeutet, sie für andere zu nutzen.