Kalle (Raum Koblenz)

Ich bin Kalle, 46 Jahre alt und wohne in der Umgebung von Koblenz. Als überzeugter Christ habe ich meine geist­ige Heimat in der evan­ge­lischen Landes­kirche ge­funden, in der ich auch seit Jahren aktiv mit­arbeite.
Vor gut 8 Jahren entdeckte ich immer mehr meine sadomaso­chist­ischen Nei­gungen. Sicher­lich waren diese schon immer vor­handen, jedoch schlum­merten sie noch im Ver­borgenen.
Der festen Über­zeugung, dass ich wohl der einzige Christ mit solchen Nei­gungen sei, durfte ich dann bei SMuC sehen, dass es auch noch andere Menschen gibt, die sowohl Christen als auch SMler sind. Das half mir beides „unter einem Hut“ zu bringen und deshalb ist es mir ein Anliegen, auch anderen Menschen zu helfen, die damit ein Problem haben.

Ich stehe gerne für gute und lange Gespräche, gerne auch persönlich bei einer Tasse Tee, zur Verfügung.

Bundestreffen Herbst 2008

  1. Bundestreffen, Herbst 2008 in Würzburg

Vielleicht ein Vorwort – ich kam zum Thema SM schon in meiner Jugend, noch bevor ich Christ wurde. Mehr als 20 Jahre hat mich die Spaltung zwischen diesen beiden Themen innerlich fast zerrissen. Darf ein Christ SMler sein?
Vor rund 2 Jahren fand ich im Internet die Webseite des SM-und-Christsein; und relativ bald danach habe ich einige Regionaltreffen in Stuttgart besucht.
Jetzt wurde ich von dort her eingeladen, auf dem 18. SMUC-Treffen in Würzburg Gast zu sein.
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Die Einladung habe ich mit viel Freude und Hoffnung aufgenommen, mit Menschen in Kontakt zu kommen, denen es genauso geht wie mir. Als ich in Würzburg eintraf, war etwa die Hälfte der Teilnehmer dieses Treffens schon anwesend. Obwohl ich niemanden davon kannte, wurde ich unkompliziert mit einem Kaffee begrüßt, und nicht erst groß ausgefragt. Das hilft über allfällige Schüchternheiten gut hinweg. Und los ging’s dann so: Harte Arbeit
Relativ schnell ging es in die Bearbeitung anstehender Themen. Ich konnte spüren, dass hier zuerst eine große Spannung herrschte, um dann an geistlichen Positionen und Grundwerten genauso zu ringen, wie an der vermutlich immer währenden Umsetzung derselben. Ein zentrales Thema hierbei und der Wunsch nach Klärung desselben hat die Anwesenden dazu gebracht, die ursprüngliche Agenda relativ großzügig zu verlassen, um sich den Ergebnissen des letzten Kirchentages zu widmen, und die Frage zu klären, wie es hier weitergehen sollte. Außerdem wurde die Leitungsstruktur neu bestimmt, insbesondere auch diskutiert, wie kurzfristige Entscheide zu fällen sind, welchen Stellenwert Kommunikation haben soll und einige andere Dinge: der Einstieg in Aufgaben, Verantwortung, Kompetenzen.
Mir ist aufgefallen, dass hier durchaus unterschiedliche Positionen vertreten wurden: ob und wann man auf den Kirchentag geht, wie man dort oder anderswo auftreten möchte, mit welcher Botschaft, welche Klippen bestehen,…
Das Zulassen dieser Diversität einerseits und trotzdem einen Konsens zu finden andererseits hat einen großen Teil des Freitags und Samstags benötigt, aber wie ich als „Frischling“ sagen möchte, recht erfolgreich. Meinungen wurden diskutiert und offen über Stärken und Schwächen des Kreises geredet, ohne dass es in einen negativen Kreislauf gemündet wäre. Mir scheint jedenfalls bei den Teilnehmern des Treffens doch eine gute Vertrauensbasis zu bestehen. Abschließender Konsens scheint mir – subjektiv gefärbt – zu sein, dass man wieder auf den Kirchentag gehen will: aber mit ausreichender Vorbereitung für die, die teilnehmen, sowie einem kräftemäßig ebenso ausreichenden Team, sowie auch dem sich selbst Hinterfragen, wann man ein Gespräch an jemand Anderes abgeben sollte.
Um dieses praktisch greifbar werden zu lassen, gipfelte der Spätnachmittag dann in einem Rollenspiel, in dem Gesprächssituationen nachgespielt wurden: auf der einen Seite Menschen, die mit SM ein geistliches oder weltliches Problem haben, auf der anderen Seite Vertretern des SMUC, die an diesem Szenario versucht haben, ihre Fähigkeiten des Zuhörens, Fragens und Argumentierens zu üben und zu verfeinern. Es zeigte sich, dass in einem von der Gegenseite kritisch und vielleicht auch polemisch geführten Gespräch, selbst mit einem entsprechenden Argumentatorium ausgestattet, trotz alledem solche Differenzen bestehen bleiben können, dass wir als SMUCies das Thema dann auch in Gottes Hand stellen müssen und nicht alles auf die überzeugungskarte setzen müssen. Praktisch war es daher eine sehr gute übung für alle, um die jeweils eigenen Standpunkte zu prüfen, aber auch die eigenen rhetorischen Fähigkeiten zu erproben. Ich selbst durfte quasi Advocatus Diaboli spielen und SMUCies inhaltlich angreifen. Ich ahnte ja gar nicht, dass ich auch eine sadistische Ader haben kann J….
Beeindruckend fand ich auch, dass sich einige SMUCies mit dem Thema Christsein in der Welt so positionieren, dass Menschen aus der „normalen“ SM-Szene einen Ansprechpartner haben, mit der Hoffnung, hier, an dieser für manch andere sehr dunklen Ecke der Schöpfung, ein Licht anzuzünden. SMUC geht es nicht darum, Christen zu SM zu missionieren, aber Menschen aus dem SM Umfeld mit Christus in Kontakt zu bringen.
Aus meiner Sicht war das Arbeitsergebnis des Wochenendes jedenfalls gut: neben der Führungsthematik eben auch inhaltlich Dinge, praktische Aspekte etc.
Er weidet mich auf einer grünen Aue: Feste feiern
Neben all dem Arbeiten kam auch das Feiern nicht zu kurz. Samstagabend war eine Party mit guter Musik angesagt (ich durfte CDs beisteuern, also MUSS es gute Musik sein); aber auch das regelmäßige miteinander Essen war an sich schon jedes Mal ein kleines Fest. Nicht nur das Essen selbst, das oft höchst vergnüglich war: es wurde viel gelacht, sondern auch Vor- und Nachbereitung gerade in der Gemeinschaft waren schön.
Die samstägliche Party kann ich persönlich am Besten unter das Motto „Er weidet mich auf einer grünen Aue“ setzen, für mich war das sogar tiefgrün. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mich das erste Mal im meinem Leben vollständig so richtig angekommen und angenommen fühlte, gerade weil ich so sein durfte, wie ich bin: nicht versteckt in einer dunklen Ecke der Welt, sondern klar vor Gott und den Menschen sichtbar. Geist, Seele, Körper waren im Gleichklang, wie ich es mir immer gewünscht habe: man fliegt förmlich.
Der krönende Abschluss: Gottesdienst
Der krönende Abschluss bestand am Sonntag in einem gemeinsamen Gottesdienst mit Abendmahl, zu dem alle einen Beitrag hatten. Ein wenig Schmunzeln musste ich bei einem Lied, bei dem es darum geht, dass Gott uns unsere Ketten löst – für die Hälfte der SMUCies bedeutet das ja, dass diese erst mal angelegt werden müssten…
Aber das Erlebnis, erstmals mit Christen, die ebenfalls SMler sind, im Gottesdienst vor Gott zu sein, in genau der Art, wie wir sind und ohne sich verstecken zu müssen, war schon einzigartig; ich denke, ich war nicht der einzige, der Tränen vor Freude vergossen hat.
SMUC kann und will sicher nicht eine normale Gemeinde ersetzen, aber hier besteht ein Angebot, das anderswo selten einen Raum hat. Manche Lebenslast mag nicht einfach so weggehen, z.B. wenn der Partner kein SMler ist, aber im Wissen und Fühlen dieser besonderen Gemeinschaft kann dies etwas leichter getragen werden. Ich selbst sehe voller Dankbarkeit auf meine eigene „Vanilla“-Partnerin, die sich aber meine Themen doch wenigstens anhört (und auch diesen Artikel vorab gelesen hat und gut findet).
Grussworte
Ich bin froh, beeindruckende, positive Menschen mit einer klaren christlichen Haltung und meiner Neigung kennengelernt zu haben. Zündet Eure Kerzen in dieser Welt munter weiter an!
So bleibt mir abschließend noch der Ausblick: eine tiefe Dankbarkeit, die buchstäblich unter die Haut geht, und die Hoffnung, beim nächsten Mal dabei zu sein, und auch sonst aktiv beizutragen.
Man sieht sich…
WaltKaye

Kirchentag 2007 in Köln

Wir hatten einen schönen Stand – auch diesmal wieder im Bereich „Seelsorge“ auf dem Markt der Möglichkeiten – und die Vorbereitungen des AK SMuC hatten sich gelohnt: Es gab viele gute Gespräche, selbst mit älteren Leuten. Ablehnende Reaktionen waren die absolute Ausnahme.
Ein paar Beispiele für die uns gestellten Fragen:
Ist das denn mit der Bibel vereinbar?
Ist die Geißel (Peitsche aus dem Bild) nicht ein Symbol für Leiden?
Gibt es eine SM Gruppe in meiner Region (wobei der Fragende seinen Wohnort nicht verriet)?
SM ist ja in Ordnung – aber sollte SM bei Christen nicht nur in einer festen Partnerschaft praktiziert werden? Ist SM mehr oder weniger verwerflich oder richtig als Homosexualität?
Was haben SM und Christsein gemeinsam? Wo ist die Verbindung?

Einige Standbesucher, die sich dort selbst als SMler outeten, sagten, dass sie erst durch den Stand auf den Arbeitskreis aufmerksam geworden seien, und zeigten ihre Freude darüber, dass es auch andere Christen gibt, die zu ihren SM-Vorlieben stehen. Aber auch „Nur-SMler“, die sich als Nichtchristen outeten, kamen an unseren Stand.
Andere Kirchentagsbesucher hatten offenbar gezielt nach dem Stand gesucht. Darunter waren auch erstaunlich viele Jugendliche. Nach neugierigen, teils auch belustigten Fragen wurden die Gespräche oft intensiv. Die Fragen der Jugendlichen entpuppten sich dabei als erstaunlich gezielt. („Wie gestaltet sich euer Alltag mit SM?“, „Gibt es damit Probleme in der Gemeinde?“ usw…).
Auch die benachbarten Standbetreuer im Bereich Seelsorge zeigten reges Interesse, informierten sich und hießen die SMler willkommen, so zum Beispiel auch die „geschiedenen Pfarrersfrauen“, von denen eine sich dahingehend äußerte, dass die Scheidungsraten sicher sinken würden, wenn mehr Leute so offen über ihre Sexualität reden könnten. Zeitweise war das Interesse am Stand so groß, dass unsere Standbesetzung regelrechte Gesprächsgruppen bilden musste.Medieninteresse war dagegen nur wenig zu spüren (im Vergleich zum Kirchentag in Hannover). Offenbar sind wir gar nichts Ungewöhnliches mehr.
Es kam auch die Frage, ob man für das Thema „SM und Christsein“ auf dem Kirchentag präsent sein müsse oder ob dieses Thema nicht z.B. durch das Outing eines SM praktizierenden Pfarrers gegenüber seiner Gemeinde an die Öffentlichkeit getragen werden müsse. Wir argumentierten gegen den Druck, sich outen „zu müssen“. Das Interesse, das uns auf dem Kirchentag entgegen gebracht wurde, bestätigte uns darin, diese Art der Öffentlichkeitsarbeit für christliche SMler und für „Interessierte“ zu machen.
In den Gesprächen stand oft das persönliche Outing im Zentrum, aber dafür wurden diese Gespräche auch sehr authentisch. Daher meinen wir auch, dass eine Öffentlichkeitsarbeit, wie wir sie machen, eben nur von den Sadomasochisten selbst übernommen werden kann, denn wer mit SM nichts am Hut hat, kann wohl kaum über SM aufklären.
Wenn es bei dem einen oder der anderen noch einen Ansatz des Gefühls der Unnormalität gegeben hatte, dem dürfte dieses bei der Arbeit am Stand in dieser Öffentlichkeit fern der SM-Szene vergangen sein. So konnten wir die Erfahrung machen, dass sich weit mehr Leute mit SM auseinander setzen, als gemeinhin in der Szene gedacht wird.
Ein Fazit, ob die Gespräche bei uns am Stand besser waren als vor zwei Jahren, lässt sich kaum ziehen. Für uns wenige Standbetreuer, war der Kirchentag auf jeden Fall eine großartige Erfahrung. Vor allem die Fragen der Besucher bieten viel Stoff für die Weiterarbeit im AK

Kirchentag 2005 in Hannover

Fünfzehn aufgeregte und aufgekratzte Mitglieder des “Arbeitskreises SM und Christsein“ sitzen am Samstagabend in Hannover zusammen. Es ist Kirchentag und der “Markt der Möglichkeiten“ ist vorbei. Das Ergebnis und die Erlebnisse waren überwältigend: schon die offizielle Teilnahme einer SM-Gruppe beim größten Event der evangelischen Christen in Deutschland hatten wir zwar zu träumen, aber kaum zu hoffen gewagt, und die Resonanz, zu 99,5% aufgeschlossen und ehrlich interessiert, übertraf alle Vorstellungen. Eine Idee entsteht…
Dabei hatte, wie so oft im Leben, alles viel unscheinbarer angefangen, als eine “Schnapsidee“: Mitmachen beim ökumenischen Kirchentag 2004 in Berlin, das wäre doch was. Na ja, dachte so manche/r, bewerben kann man sich ja mal… Die Ablehnung kam auch prompt, pauschal und uninformiert: SM ist Gewalt und hat daher bei der Kirche nichts zu suchen. So weit, so schlecht und von einigen wohl auch so erwartet. Das wollten wir nicht auf uns sitzen lassen und so formulierten wir eine Entgegnung: Wenigstens die blöden Vorurteile wollten wir nicht im Raum stehen lassen, vielleicht sogar ein Gespräch mit einem der Verantwortlichen von Auge zu Auge führen. Nach einigen Änderungen war der Brief fertig.
Die Antwort blieb lange aus, doch dann plötzlich ein Signal. Und welches! Der diesmal evangelische Kirchentag ermutigte die Gruppe SM und Christsein, sich 2005 in Hannover mit einem Stand am “Markt der Möglichkeiten“ zu beteiligen!
…und ist verwirklicht worden
Nach vielen Vorbereitungsstunden war es dann soweit: Wir bauten den Stand unter den etwas argwöhnischen und fragenden Blicken unserer Standnachbarn auf, farbenfroh in Schwarz und Rot, mit einem als Kreuz gestalteten Ensemble aus Peitsche, Gerte und Bondageseil und informativen Texttafeln. Alles wie geplant erkennbar genug, aber ohne jegliche sexuelle oder moralische Provokation. Schon die ersten Stunden nach der Öffnung übertrafen alle Erwartungen: Anfragen, Nachfragen, zögerliche Outings und immer wieder die Bitte um ein ausführlicheres Gespräch folgten fast ohne Unterbrechung aufeinander.

Rückblick
Und so ging es über alle drei Tage. Das Ergebnis in Zusammenfassung: Etwa 1500 bis 1800 Menschen haben an unserem Stand Flyer mitgenommen, aktiv und aus freien Stücken, nicht in die Hand gedrückt bekommen!! Rund 300 Gespräche sind von uns geführt worden, manche nur einige Sätze lang, andere aber bis zu 1 1/2 Stunden. Das sind 12 pro Stunde!
Von allen Kontakten waren lediglich drei aggressiv-ablehnend, allen anderen war mindestens ehrlich an Information gelegen. Viele, auch auch Nicht-SMer, signalisierten Verständnis, Zustimmung und auch die Freude, dass “so was“ nun auch im Rahmen der evangelischen Kirche seinen Platz finden könne. Und immer wieder und oft mit großem Bangen Outings von Besuchern mit der Bitte um Beratung, etwa in Beziehungs- oder Glaubensfragen.
Eins der spektakulärsten Feedbacks kam fast ganz am Ende der Veranstaltung. Ein Mensch der zentralen Messeleitung kam bei uns vorbei, um sich unseren Stand einmal mit eigenen Augen anzusehen. Denn nach uns seien bei den Info-Punkten auf dem Messegelände mit Abstand die allermeisten Anfragen eingegangen.
Einige Ausschnitte von persönlichen Berichten…
…die Gespräche mit Presse und anderen Besuchern

Aus den vielen Eindrücken beim Kirchentag, insbesondere der Standarbeit, will ich nur weniges herausgreifen, was mir besonders wichtig geworden ist.
a)
meine Begegnungen mit der Presse habe ich nicht gesucht – bin ihnen aber auch nicht ausgewichen. In Köln sagt man: Et kütt wie et kütt – als Christ sage ich: Ich habe die Zusage Jesu: Wenn sie euch vor Gerichte etc. zerren – fürchtet euch nicht, der Geist wird euch die Worte geben, die ihr reden sollt so ist es auch gekommen. Bei der (Massen) Begegnung mit 4 Bild-Zeitungs-Reportern gleichzeitig kamen die alten ängste hoch (bei den anderen Pressegesprächen weniger), aber auch das stille Stossgebet: Herr hilf! Ich denke es hat auch seinen guten Grund, dass mancher Artikel in der Presse ausgeblieben ist – auch der in der Bild-Zeitung: Wir waren nicht die “Sensation“, die die Presse von uns vermutet hat, und das ist gut so.
b)
Gespräche mit Menschen und auch mit den Presse-Leuten gingen oft an meine Substanz und waren entsprechend aufwühlend und kräftezehrend aber immer befriedigend und ohne schalen Nachgeschmack – ich hatte nirgendwo den Eindruck nicht die richtigen Worte gefunden zu haben – Danke, Herr!
Es lassen sich herausstellen: Hilfestellung für Seelsorger (Pfarrkollegen) – froh machende Begegnungen mit Gleichgesinnten und last not least – die meisten Gespräche – Aufklärung ehrlich (auch kritisch) Fragender.
…ein Stimmungsbild am Stand
Manchmal kam ich gerade im rechten Moment an unseren Stand zurück, da waren dann so viele wissbegierige Personen, dass man sich „auf dem Gang“ austauschen musste um andere die Plakate lesen lassen zu können. Natürlich gab es auch mal Minuten, da war es ruhiger in den Gängen und am Stand. Wohl immer dann, wenn in anderen Hallen spannende Großveranstaltungen waren, doch langweilig war uns nie. Wir beobachteten auch die Menschen, die nicht auf uns zu kamen. Ihre Mimik und Haltung war schon, ohne Wort zu uns, vielsagend. Wobei ich meine, in manchen Augen oder um die Mundwinkel herum, den Ausdruck der Zufriedenheit gesehen zu haben. Menschen die wissen, dass sie auch SM Praktiken leben, gläubige Christen sind und sich mit beiden Teilen von Gott geliebt wissen. Es war immer spannend die Menschen, die vorbei gingen zu beobachten. In Bremen sagt man: „Lass uns an die Weser gehen, Schiffe gucken!“ Jedes sieht anders aus, auf jedem ist ein anderes Treiben, in jedem ist eine andere Ladung und jedes hat ein anders Ziel.
…auch die stärkende Anteilnahme von denen, die nicht am Stand waren, sind wichtig
Auch wenn ich unseren Stand nicht mit Gesprächen begleitet habe und somit quasi eine Stimme aus dem „off“ bin, möchte ich gerne ein paar Worte zu den Tagen in Hannover beisteuern.
Ich bin sehr glücklich, dass wir auf dem Kirchentag interessierten Christen das Thema SM nahe bringen konnten – was mir ganz persönlich sehr wichtig ist. Da ich momentan sowohl mit „meinem Christsein“ als auch mit meinem SM auf einem sehr suchenden, langsam Tabus durchdringenden und somit für mich erst mal unsicher gefühltem Boden befinde, musste ich mir eingestehen, mich nicht in der Öffentlichkeit gesprächsbereit zu fühlen. Das hat mich erst sehr traurig gemacht.
Aber immer mehr spürte ich eine große Freude in mir, einfach so wie ich gerade bin, dabei sein zu können.

Podiumsdiskussion zum Thema SM und Glaubensfragen

Am 20. Oktober 2001 in Hamburg
Brennpunkt: „Über Gott und die Welt“ – SM & Glaubensfragen

Eine Redaktionsbeitrag von Andrea

Können SMer praktizierende Christen sein? Und wenn ja – wie rechtfertigen Anhänger einer lustfeindlichen Amtskirche ihre Leidenschaften vor dem Glauben an ihren Gott?
Für viele Atheisten mag dieses Thema in erster Linie großes Gähnen auslösen. In einer Gesellschaft deren Werte sich zugunsten einer „persönlichen Selbstherrlichkeit“ verschieben, in der nur bissfeste Einzelkämpfer erfolgsgekrönt werden, in der ist wenig Platz für Glauben an höhere Mächte.
Heutige Paradiese liegen im Mittelmeerraum und zum Erreichen braucht es keinen Gott, sondern Charter per American Express. Alternativ findet der wahre Atheist sein Seelenheil in Selbstreflektion und „hoffnungsloser“ Wissenschaft, aber eines ist klar: Christen sind Langweiler in Birkenstocksandalen und Norwegerpullovern, die sich ihr letztes Plätzchen in Kirchenchor und Männergruppe gesichtet haben. Ein antiquiertes, fades Grüppchen eben, weit entfernt von lustvollen Grenzgängern SMiger Lebensart. Soweit zum Klischee.
Wer am 20.Oktober in Hamburg der Einladung des „Arbeitskreis SM & Christsein (SMuC)“ zur Podiumsdiskussion „Über Gott und die Welt“ folgte, der wurde schnell eines besseren belehrt. Erwartungsgemäß interessierten sich leider nur wenige ungläubige „Löwen“ für ihre „Brüder und Schwestern im Geiste“, aber das tat dem ebenso spannenden wie fröhlichen Abend keinen Abbruch.
Knapp 30 gut gelaunte Zuhörer tummelten sich im Cafe Sittsam um in Lack und Leder über SM & Christlichen Glauben zu diskutieren, wodurch das Klischee des Norwegerpullis bereits zu Beginn Lügen gestraft wurde. Inhaltlich und menschlich überzeugten die Diskutanten auf dem Podium. Darunter ein SM praktizierender Pastor, der fernab bigotter Kanzelreden über die Ähnlichkeit von SM & Glauben berichtete. „Beides habe mit der Hingabe und dem Wissen zu tun, dass etwas existiert, das größer ist als ich. Dass ich mich manchmal wehre, nicht mehr weiter weiß und nach einem langen, intensiven Abend mit einem blauen Arsch wieder aufgefangen werde“. Sympathische Worte eines Gottesmannes, dessen selbstverständliche Offenheit in diesen zwei kurzweiligen Stunden überzeugender war als jede Bibelstunde.
Es müsse keinen Widerspruch zwischen SM Sexualität und christlichem Glauben geben, darin waren sich alle Anwesenden schnell einig. Die Verbindung läge in der Suche nach tiefen Gefühlen und der Möglichkeit des Ankommens. Lustvoll extremes Empfinden durch Körper und Geist, würde ja genau durch Ruhepol, Sicherheit und Reflektion des Glaubens ergänzt. Andere Stimmen sprachen zurückhaltend von der schwierigen Auseinandersetzung, große Lust nach persönlichen Fetischen mit uneingeschränktem Glauben in Einklang zu bringen.
„Ich bin ein zerrissener Mensch zwischen dem was ich begriffen habe und dem was ich fühle. In manchen Momenten trennt mich mein Material von Gott. Ich fühle Jesus und begehre meine Wollust.“ Ein anderer Christ formuliert wiederum die Parallele: “ Jesus ist mein Gott und mein Diener. Es geht um gegenseitige Hingabe. Sowohl in meinem Glauben, als auch durch eine Sexualität innerhalb des Menschenbildes, in dem respektvoller SM durchaus seine Berechtigung hat“.
Eine klare Ethik-Diskussion also, die für so manchen Atheisten prächtiges Diskussionsfutter, aber auch erfreulich moderne christliche Ansichten transportiert hätte. So war das deutliche Fundament des Abends die Erkenntnis, dass die persönliche Entscheidung einer Bindung an Christus als Fundament christlicher Glaubenslehre, nicht mit verhärteter Kirchentradition einhergehen müsse. Unter dieser Prämisse fielen konkrete Beispiele ebenso deutlich wie lebensnah aus dem Rahmen: die Frage nach „Knieen“ im SM-Kontext versus religiöser Ehrerbietung, wurde durch Aussagen „Gott ist nicht über mir, sondern neben mir“ verständlich entkräftet. Und oben genannter Pastor brachte die Gretchenfrage intimen Interesses lächelnd auf den Punkt: „Ich habe im Schlafzimmer keine religiösen Symbole und im Arbeitszimmer kein Andreaskreuz. SM & Glaube trifft sich nicht im Sakrileg, sondern darf nebeneinander harmonieren. Gott ist für mich der Halt – auch in SM, nicht der Widerspruch“. Ein Mann übrigens, der sich auch innerhalb seiner Gemeinde für einen funktionierenden Weg des „Halboutings“ entschieden hat, indem er den Ring der O offen trägt ohne seine Sexualität verbal zu thematisieren. Hin und wieder werde der Hintergrund des Rings erkannt und nach kurzer Verwunderung ignoriert. Es ist eben kein Thema für die Amtskirche. Zumindest noch nicht. Oder wie ein anderer Teilnehmer formuliert: „auch wenn Christen somit einen doppelt schweren Outing-Weg in einer Vereinigung gehen müssen, die ihre eigene Lehre nicht begriffen hat.“ Klare Worte.
Nein, es war sicherlich kein Treffen verhuschter Glaubensbrüder. Die Menschen dieser Diskussionsrunde gaben ein positives Bild lustvoller, reflektierter und so gar nicht fremdbestimmter Lebensweise ab. Zweimal jährlich trifft sich der – übrigens nicht konfessionsgebundene – Arbeitskreis aus zwischenzeitlich knapp 100 Personen bundesweit, um miteinander zu sprechen und zu feiern. SM & Gottesdienste, alles zu seiner Zeit.
Ein bisschen mehr Toleranz von nichtgläubigen SMern wünschen sie sich. Nicht in die alternative Ecke gestellt zu werden und dass die Ethikdiskussion in unserer Szene ein wenig mehr Platz bekommt. Unverkniffen und ohne Bekehrungsanliegen. Und ganz langsam wollen sie ihre Existenz auch in ihre eigenen religiösen Institutionen tragen, auf Kirchentagen präsent sein, für positive Aufklärung sorgen. Ein mutiges und unterstützungswürdiges Anliegen das so einige Widerstände überwinden werden muss. Ob Glaube Berge versetzen kann?
Zumindest war an diesem Abend eines spürbar: daß Glaube der von Menschen getragen und gelebt wird, ein Fundament mit vielen Möglichkeiten sein kann. Daß er Glück und Offenheit spürbar macht, – fernab üblicher Klischees.
(c) Andrea Schneider

Erster Presseartikel über den Arbeitskreis

taz Berlin lokal Nr. 6171 vom 20.6.2000 Seite 23 Kultur
von Kathrin Passig

mit freundlicher Genehmigung des Verlages

Warum tut es weh, wenn ich bete?

In kalten Gemäuern knien und sich gehorsam einem fremden Willen unterwerfen: Am Wochenende traf sich in Berlin der „Arbeitskreis SM und Christsein“. Die Teilnehmer unterhielten sich ganz offen über intimste religiöse Neigungen Ein bisschen arg jung und rotbackig sieht der „Arbeitskreis SM und Christsein“ aus, der im Garten der Jugendbildungsstätte Kaubstraße umgeben von Cola-Kisten sitzt.
„Seid ihr die perversen Christen?“ erkundige ich mich taktvoll. „Nein“, teilt man mir mit, „Christen schon, aber keine Perversen.“ „Wo tagen die denn?“ – „Einmal ums Haus und dann durch die blaue Tür wahrscheinlich.“ Pause. „Da willst du wirklich hin?“ Einmal ums Haus hinter der blauen Tür tagt der vor einem Jahr gegründete Arbeitskreis dann wirklich.
Da es ihn bisher nur als überregionale Organisation gibt, sind die Teilnehmer aus den entferntesten Ecken Deutschlands angereist, um sich Fragen zu stellen: „Wem sag ich was?“ „Wie sag ichs meinem Partner?“ Und: „Was bedeutet SM im theologisch-sexualmoralischen Lichte besehen, insbesondere vor dem Hintergrund eines Arbeitsrechtsverhältnisses mit einem Tendenzbetrieb, der Liebe in erster Linie ,Agape‘ buchstabiert und mit, Eros‘ immer noch Probleme hat?“ Als Laie ist man versucht, in der letzten Frage das zentrale Thema zu vermuten. Schließlich sind die Kirchen die letzten Arbeitgeber, die sich noch in die Privatangelegenheiten ihrer Angestellten einmischen dürfen. Tatsächlich aber ist von Verfolgte-Randgruppen-Paranoia nicht viel zu spüren. Private Glaubenskonflikte stehen gerade für Katholiken und Angehörige evangelischer Freikirchen, die statt der Schere im Kopf mit einem ganzen Reißwolf ausgerüstet sind, im Vordergrund.
So fruchtbar der Nährboden der christlichen Symbolik auch für sadomasochistische Vorstellungen ist: Mit einer Umsetzung außerhalb offizieller Passionsspiele tut man sich dann doch immer noch schwer. Die Verbindung zwischen Religion und SM ist, von den Flagellantensekten des Mittelalters bis zum verbotenen „Masochismus ist heilbar“-Aufkleber mit dem gekreuzigten Heiland, immer wieder postuliert worden. Ein kausaler Zusammenhang scheint dann aber – abgesehen von der sozialethisch desorientierenden Wirkung einer Beschäftigung mit Heiligenlegenden – wohl doch nicht belegbar.
Die Beweggründe des Arbeitskreises sind dann auch eher pragmatischer Natur: „Mit meinen christlichen Freunden kann ich mich nicht über SM unterhalten, und mit SMlern nicht über meinen Glauben“, erklärt Anna, die Initiatorin, und Susanne fügt hinzu: „Dass ich SMlerin bin, weiß so ziemlich jeder, und das stört auch keinen. Dass ich religiös bin, so ein bisschen wenigstens, weiß kaum jemand. Ich glaube, da würde ich auch schräg angesehen.“
Wer zwei Randgruppen angehört, muss eben beide Wangen hinhalten: „Da es auf die Dauer auch langweilig wird, sich nur über SM zu unterhalten“, heißt es im Programm, „wird es auch Zeiten geben, in denen dieses Thema in den Hintergrund rückt, und dafür mehr über den Glauben geredet wird.“
Ein bisschen peinlich ist es mir ja schon, mit anzuhören, wie andere sich ganz offen über ihre religiösen Neigungen unterhalten. Religion ist schließlich eine intime Angelegenheit. Und beim Zuhören fragt man sich unweigerlich: Wie kann denn so was Spaß machen? In kalten Gemäuern knien, sich gehorsam einem fremden Willen unterwerfen, büßen womöglich und dann immer diese Folterdarstellungen vor Augen? Zum Glück ist die Teilnahme an wirklich bizarren Praktiken wie dem Absingen von Kanons vor dem Essen ja freigestellt.

Von diesem ersten Artikel über unsere Truppe fühlen sich zwar nicht alle von uns unbedingt so dargestellt, wie wir uns sehen, aber es ist der erste Bericht und ziemlich amüsant. Er entstand nach unserem ersten Bundestreffen in Berlin